Der Nacht ergeben
nur dass nicht so viele Türen von ihm wegführten. Shane übernahm - natürlich - die Führung, aber die Türen, die sie hätten öffnen können, waren nur Bürotüren, sie hatten überhaupt nichts Spannendes an sich.
Aber am Ende des Flurs fanden sie eine Tür, auf deren Knauf das Zeichen der Gründerin graviert war. Shane versuchte, sie zu öffnen, schüttelte den Kopf und winkte Claire hinzu.
Auf ihre Berührung hin öffnete sie sich mühelos.
Dahinter befanden sich - Wohnungen. Kammern? Claire wusste nicht, wie sie sonst dazu sagen sollte; es war ein ganzer Zimmerkomplex.
Es war, als würde man eine ganz andere Welt betreten, und Claire wurde bewusst, dass es hier einmal sehr schön gewesen sein musste: ein Märchenzimmer mit üppigem Satin an der Wand, persischen Teppichen, zierlichen weißen und goldfarbenen Möbeln.
»Michael? Bürgermeister Morrell? Richard?«
Es war das Zimmer einer Königin und es war komplett zerstört worden. Die meisten Möbel waren umgeworfen, manche waren zertrümmert. Spiegel waren zerschlagen. Stoffe zerrissen.
Claire erstarrte.
Auf einem langen, zierlichen Sofa, das noch intakt geblieben war, lag François. Bishops anderer loyaler Vampirkumpel, der zusammen mit Ysandre Bishop nach Morganville begleitet hatte. Der Vampir sah völlig entspannt aus - er hatte die Fußgelenke übereinandergeschlagen und seinen Kopf auf ein dralles Satinkissen gebettet. Ein großes Kristallglas mit etwas Dunkelrotem darin ruhte auf seiner Brust.
Er kicherte und prostete ihnen mit dem Blut zu. »Hallo, meine kleinen Freunde«, sagte er. »Wir haben euch zwar nicht erwartet, aber ihr reicht voll und ganz. Uns gehen hier nämlich langsam die Erfrischungen aus.«
»Raus«, sagte Shane und schubste Eve in Richtung Tür.
Sie schlug zu, noch bevor Eve sie erreichen konnte, und dort stand Mr Bishop, noch immer in dem lila Talar von seinem Fest. Er war noch immer an der Seite zerrissen, wo Myrnin mit dem Messer auf ihn eingestochen hatte.
Er hatte so etwas Uraltes an sich, etwas so vollkommen Gefühlloses, dass Claire spürte, wie ihr Mund trocken wurde. »Wo ist sie?«, fragte Bishop. »Ich weiß, dass ihr meine Tochter gesehen habt. Ich kann sie an euch riechen.«
»Iiiih«, sagte Eve leise. »Das war sehr viel mehr, als ich wissen muss.«
Bishop wandte seinen Blick nicht von Claires Gesicht ab, als er auf Eve zeigte: »Schweig oder du wirst zum Schweigen gebracht. Wenn ich deine Meinung wissen will, werde ich deine Eingeweide befragen.«
Eve schwieg. François schwang seine Beine über die Sofakante und setzte sich mit einer einzigen, glatten Bewegung auf. Er kippte den letzten Schluck aus seinem Glas hinunter und ließ das Glas fallen, was blutrote Spritzer auf dem hellen Teppich hinterließ. Einige Tropfen fielen auch auf seine Finger. Er leckte sie ab und wischte dann den ganzen Rest an der Satinwand ab.
»Bitte«, sagte er und klimperte mit seinen langen Wimpern Eve an. »Bitte, sag etwas. Ich liebe Eingeweide.«
Sie wich bis zur Wand zurück. Sogar Shane blieb ruhig, obwohl sich Claire sicher war, dass es ihn in den Fingern juckte, sie in Sicherheit zu ziehen. Du kannst mich nicht beschützen , dachte sie eindringlich. Versuch es bloß nicht.
»Sie wissen nicht, wo Amelie ist?«, wandte sich Claire direkt an Bishop. »Wie läuft denn dann dieser Masterplan?«
»Oh, er läuft einfach wunderbar«, sagte Bishop. »Oliver ist inzwischen tot. Myrnin - naja, wir wissen beide, dass Myrnin den Verstand verloren hat, oder noch besser: Gemeingefährlich ist. Fast hoffe ich, dass er herbeigestürzt kommt, um euch zu helfen, und wenn er dann hier ist, vergessen hat, wer ihr überhaupt seid. Das wäre amüsant und sehr typisch für ihn, fürchte ich.« Bishops Blick bohrte sich in sie und Claire fühlte, wie sich das Netz um sie zuzog. »Wo ist Amelie?«
»Wo Sie sie niemals finden werden.«
»Schön. Dann soll sie sich mit ihren Kreationen in den Schatten verstecken, bis sie der Hunger oder die Menschen zerstören. Es muss nicht zu einer Schlacht kommen, weißt du? Es kann genauso gut ein Zermürbungskrieg werden. Ich bin in der überlegenen Position.« Er machte eine träge Handbewegung zu dem zerstörten Apartment hin. »Und natürlich habe ich alle, die hier sind, in meiner Gewalt, ob sie es wissen oder nicht.«
Claire hörte nicht, wie er sich bewegte, aber sie zuckte zusammen, als François ihr mit kalten Fingern über den Nacken strich und fest zupackte.
»Genau so«, sagte Bishop.
Weitere Kostenlose Bücher