Der Nachtelf (German Edition)
auf. »Ich glaube, ich habe genug gehört. Für einen rechtschaffenden Mann ist in diesem Haus kein Platz.« Er rauschte zur Tür, öffnete sie und drehte sich doch noch einmal um. »Ich werde für Euch beten, Dadalore. Die Gaben meines Herrn Sagard sind vielfältig.« Seine Augen funkelten.
Dann ging er endlich.
Dadalore stützte sich erschöpft auf Valenurus Tisch ab.
»Ich werde Euch ein Glas Wasser holen«, sagte Bamulaus und eilte bereits los.
»Keinen Schritt weiter!«, knurrte Dadalore.
Der Capitalprotektor stand kerzengerade.
»Unsere Unterhaltung ist noch nicht beendet. Ich will die Akte.«
Bamulaus lächelte, ein Umstand, der Dadalores Misstrauen weckte. »Welche Akte?«
Dadalore spürte, wie sich ihre widerspenstige Haarsträhne wieder aufrichtete. »Verflucht, alter Mann, glaube ja nicht, dass du mich an der Nase herumführen kannst. Du wirst mich zu dieser Akte führen oder du erlebst, wie unleidig ich werden kann.«
»Das wird gewiss nicht nötig sein, Eure Capitalobservatorin«, erwiderte er mit einem sonderbaren Unterton. »In diesem Fall würde ich nämlich Ghalikan einen Besuch abstatten. Es schien mir fast so, als habe er etwas gegen Euch in der Hand. Sicher, er kann es nicht verwenden, weil Ihr auch etwas gegen ihn ins Feld führen könnt. Aber nun stellt Euch einmal vor, er teilt Euer Geheimnis mir mit. Gegen mich verfügt Ihr über keinerlei Beweismaterial. Wie wolltet Ihr mich daran hindern, Ghalikans Rache auszuführen? Ihr seht also, es ist besser, die Dinge zu lassen, wie sie sind. Es gibt keine Geheimakte und es hat nie eine gegeben. Ihr erlaubt, dass ich mich nun nach Hause begebe? Es ist Dienstschluss.« Mit diesen Worten ließ er sie stehen.
Dadalores Kehle schnürte sich zusammen. Sie versuchte, Bamulaus im Weggehen noch mit Blicken Löcher in den Hinterkopf zu brennen.
Bei allem, was ihr heilig war, dies würde ein Nachspiel haben!
Raus hier!
Valenuru wischte sich den Schweiß ab . Es war kühl hier unten, aber das half nichts. Er kroch auf den Knien herum auf der verzweifelten Suche nach einem Riss im Mauerwerk, einem kleinen Spalt, der sich vielleicht zu einem Durchgang erweitern ließ. Durch die Tür war zu hören, wie der Tiifulaus Genannte den anderen Schurken in farbenprächtigen Details ausmalte, wie er den Gefangenen gleich foltern würde.
Was Valenuru anging, hatte die Folter bereits begonnen. Die Entführer ahnten nicht, dass er jedes einzelne Wort hören konnte. Und mit dieser Schilderung flackerte Panik in ihm auf. Er verabscheute Schmerzen und war auch denkbar schlecht darin, sie zu erdulden. Außerdem zweifelte er keinen Atemzug daran, dass die leibhaftige Folter beginnen würde, sobald dem sadistischen Künstler da draußen die Farben für sein blutiges Gemälde ausgingen. Bis dahin musste Valenuru hier unbedingt raus.
Doch er konnte suchen, so gut er wollte. Wo kein geheimer Fluchttunnel war, da konnte man auch keinen finden. Er brauchte einen anderen Plan.
Vielleicht könnte er die Räuber überwältigen. Sie waren zu dritt und hatten mindestens einen Dolch und den Säbel, den sie ihm abgenommen hatten. Hektisch suchte Valenuru nach etwas, dass sich als Waffe verwenden ließ. Aber sein Gefängnis war vollkommen kahl. Da waren nur seine Pritsche und eine alte Wasserleitung. Sie bestand aus Ton. Vielleicht konnte man ein größeres Stück herausbrechen, das scharfe Kanten hatte.
Valenuru ging auf das Rohr zu.
Da hörte er, wie sich die drei Halsabschneider der Tür näherten.
Er hatte keine Zeit mehr! Er packte die Leitung und zog daran. Sie rührte sich keinen Finger breit. Fluch dem Abgrund, er musste sich etwas einfallen lassen.
Der Schlüssel wurde herumgedreht.
Er hing sich mit dem vollen Körpergewicht an das Rohr. Nichts. Es saß absolut fest.
Die Tür flog auf und der Bursche trat mit erhobenem Dolch und blutdurstigem Grinsen ein.
Valenuru schwang sich an der Leitung durch die Luft. Seine Stiefel krachten Tiifulaus ins Gesicht. Der Junge flog rückwärts, dem Bärtigen in die Arme. Valenuru landete gekonnt auf dem Boden und schlüpfte katzengleich durch die schmale Lücke, die neben den beiden Schurken in der Türöffnung blieb.
Draußen!
Da fuhr ein Dolch an seine Kehle. »Einen Mucks und du bist tot!« Das Weib. Die Augen des Capitaloberobservators flatterten in sämtliche Richtungen, doch da war nichts, was er mit einer Bewegung hätte erreichen können. Und nach dieser Bewegung würde ihm der Dolch im Schlund stecken,
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