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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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wahre Herkunft verschleiert hast?«
    Auf der Stirn des Capitalprotektors waren rote Flecken zu sehen. Er nickte.
    »Wer, Himmel, Abgrund und Exu, lässt dir eine solche Summe zukommen?«
    Der Sklave presste die Lippen zusammen und schwieg.
    »Muss ich dich daran erinnern, welche Mittel mir zur Verfügung stehen, wenn du nicht freiwillig redest?«
    Auf seiner Haut traten die Adern hervor. »Wenn es sein muss, bin ich bereit, alles zu ertragen«, sagte er heiser.
    Dadalore sah ihn traurig an. »Ist es das wirklich wert, Bamulaus?«
    »Ich habe mein Ehrenwort gegeben, Eure Capitalobservatorin.«
    »Dein Ehrenwort, dass du schweigen wirst?«
    Seine Antwort blieb aus, was ihr als Bestätigung genügte. »Verflucht, Bamulaus! Wem ist das Ehrenwort heilig?«
    Er sah sie verwirrt an.
    »Wem ist das Ehrenwort heilig?«, wiederholte sie.
    »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    »Bamulaus, erinnere dich der Lehren deines Mentors: Wem ist das Ehrenwort heilig?«
    »Tyrtalla, dem Herrn des Himmels«, erwiderte der Sklave im Ton einer vor langer Zeit auswendig gelernten Litanei.
    »Und wem ist das Gesetz heilig, gegen das du verstößt?«
    Bamulaus mahlte mit den Zähnen. »Ich verstehe.«
    Dadalore wiederholte lauter, fordernder: »Wem ist das Gesetz heilig, gegen das du verstößt?«
    »Tyrtalla«, antwortete der Sklave niedergeschlagen.
    »So falsch ist dein Ehrbegriff. Die Ordnung der Dinge ist frei von Widersprüchen. Wo der Widerspruch herrscht, da ist die Ordnung von Himmel und Abgrund fern. Wen auch immer du da deckst, du kannst dich dabei ganz gewiss nicht auf die Ehre berufen!«
    »Es ist nur, ich habe es einem ehrbaren Menschen versprochen, einem so ehrbaren Menschen, wie es keinen zweiten gibt.«
    Und plötzlich verstand Dadalore. Es gab nur einen Menschen, über den sie Bamulaus je so voller Respekt hatte reden hören. »Osogo?«, keuchte sie.
    Das Erschrecken in der Miene des Capitalprotektors verriet ihn endgültig.
    »Ihr nehmt Schweigegeld von Osogo-Wem-fehlt-die-Zeit, dem Capitalmeisterobservator, meinem Amtsvorgänger?«
    »Ich bin ihm Gehorsam schuldig.«
    »Du bist mir Gehorsam schuldig!«
    »Ich weiß«, stieß er gequält hervor.
    »Sagard und Kalunga, jetzt rede endlich! Was sollst du vor mir verheimlichen?«
    »Nicht vor Euch im Besonderen. Es darf überhaupt nicht öffentlich werden. Genau genommen ist es so geheim, dass Osogo selbst davon keinesfalls Kunde erhalten darf. Es geschah vor einem halben Winterwechsel, in den letzten Tagen seiner Amtszeit, dass er nach mir rufen ließ. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit schloss er die Tür hinter mir ab. Er fragte mich, ob ich ein Geheimnis bewahren könne. Ich zeigte mich irritiert und sagte, ich hätte unsere Tätigkeit immer als das Aufklären von allzu geheimen Machenschaften verstanden. Da blickte er sehr finster drein und belehrte mich, mit einer so einfachen Angelegenheit habe man es hier nicht zu tun. Es sei vielmehr eine Sache, die, wenn sie öffentlich würde, die Sicherheit des Königs wie des gesamten Imperiums in einem Ausmaß erschüttern würde, das ich mir nicht vorstellen könne. Eine solche Konsequenz sei natürlich keinesfalls zu verantworten, erwiderte ich. Da verlangte er mir mein Ehrenwort ab, dass ich unter allen Umständen Stillschweigen bewahren würde und selbst unter Todesdrohungen und Folter dabei bleiben müsse.
    Und ich gab ihm mein Ehrenwort.
    Ich erzähle Euch nur aus einem Grund davon: Weil ich Euch so kenne, dass Ihr ebenfalls niemals etwas tun würdet, was König oder Reich schadet.«
    Dadalore dachte nach. »Du sagtest, es sei so geheim, dass selbst Osogo es nicht erfahren dürfe. Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Es handelt sich dabei um Folgendes«, hob der Capitalprotektor an, »Osogo trug mir auf, eine Akte zu vernichten. Eine Akte, die so brisant sei, dass sie unter allen Umständen mit dem Ende seiner Amtszeit spurlos verschwinden müsse. Er könne nur mich damit beauftragen, weil ich neben ihm als einziger an der Erstellung dieser Akte beteiligt war. Daher sei mein unbedingtes Schweigen auch so wichtig, auch über die Vernichtung der Akte hinaus. Aber ich habe ... nun, ich war zu schwach.«
    »Zu schwach? Was soll das heißen?«
    »Ich nahm die Pergamente wie befohlen an mich – und versteckte sie. Ich brachte es nicht über mich, sie zu vernichten. Also verbarg ich sie, so gut es mir möglich war. Kein anständiger Mensch würde je in dieses Versteck greifen. Ich sagte mir, dass dies ebenso gut sei, wie sie zu verbrennen.

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