Der Nachtelf (German Edition)
Solange kein Unbefugter Zugriff darauf habe, sei dem Anliegen des Capitalmeisterobservators ja im Grunde entsprochen worden.«
»Aber warum hast du die Akte nicht einfach wie zugesagt zerstört?«
Bamulaus druckste herum wie ein Fünfjähriger, der beim Honigtalerstehlen erwischt worden war. »Also ... es war unsere wichtigste Akte, wenn Ihr versteht. Unser ungelöster Fall.«
Dadalore schloss die Augen. »Ein ungelöster Fall der Adamant-Klasse. Deine Garantie dafür, jederzeit Zugriff auf kostenlose Lakaien zu haben.« Sie öffnete die Augen wieder. »Dir muss doch klar sein, dass so etwas kontrolliert wird.«
Bamulaus schien nur darauf gewartet zu haben, diesen Gedanken zu widerlegen: »Die Adamant-Akten werden nur alle paar Jahre einmal kontrolliert. Wenn man dem Sklaven, den sie schicken, sehr freundlich begegnet, ist er auch recht freundlich, wenn Ihr versteht. Man muss ihm nur ein paar besonders kostbare Lakaien schenken, so fällt die Prüfung der Akte recht oberflächlich aus.«
»Wie viele Menschen sind denn noch in dieses Verbrechen involviert?«, stöhnte Dadalore.
»Ich tue nur, was alle tun.«
Dadalore rang um Fassung. Eine Pflichtverletzung dieses Ausmaßes in ihrer Capitalobservationskammer. Und das war etwas grundsätzlich anderes als die Fehler, die ihr unterlaufen waren. Sie hatte schlimme Verfehlungen begangen, ja, aber nichts davon absichtlich. Hier hingegen schlug ihr kriminelle Energie entgegen, die sie doch eigentlich bekämpfen müssten. »Und was stand nun in dieser hochbrisanten Akte?«, fragte sie tonlos.
Jemand klopfte an das Hauptportal.
Dadalore rührte sich nicht.
»Wollt Ihr nicht nachsehen, wer es ist?«
»Nein.« Sie würde jetzt keine Unterbrechung dulden. Sie hatte in den letzten Monaten genug gelernt, um zu wissen, dass man ein Verhör im entscheidenden Moment nicht unterbrechen durfte. Man musste das Eisen schmieden, solange es noch heiß war!
Das Pochen wiederholte sich.
»Ich habe Euch eine Frage gestellt.«
Schritte waren im Flur zu hören. Jemand öffnete das Tor. Ein kurzer Wortwechsel. Die Stimmen näherten sich ihrer Tür.
»Macht Euch keine Sorgen, ich werde erwartet«, sagte eine dunkle Stimme. Dann schwang die Tür auf und Ghalikan trat ein. Er trug an Stelle des Priestergewandes nun einen bürgerlichen Burnus, der äußerst kleidsam war. Der Stoff wurde aber noch mühelos überstrahlt von seinem breiten Lächeln.
Es dämmerte bereits. Erst jetzt gewahrte sie in der Ferne das Prasseln des Abendregens über dem Koloss. Ghalikan war der letzte, den sie jetzt hier gebrauchen konnte.
»Ich bitte, mich zu entschuldigen«, sagte Bamulaus und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.
»Hiergeblieben!«, zischte Dadalore. Wenn sie ihn jetzt gehen ließe, hätte er Zeit, sich Ausreden und Lügen einfallen zu lassen, und sie würde nie dahinterkommen, was Inhalt der Geheimakte war. Aber sie konnte sich unmöglich Ghalikans und des Capitalprotektors gleichzeitig erwehren. Sie fühlte, wie ihre Kräfte schwanden. Sie hatte doch schon einen Lakaien genommen, warum wirkte der nicht? Sie brauchte unbedingt noch einen. In ihren Taschen waren zwei, aber die konnte sie unmöglich vor den Augen der beiden Männer nehmen.
»Wenn die Herren mich für einen Augenblick entschuldigen könnten.« Sie lächelte unsicher. Sie musste es bis zur Tür schaffen, nur die paar Schritte ...
»Wo wollt Ihr denn hin?« Ghalikan taxierte sie mit dem Blick, den ein Ehrenmann einer hilfsbedürftigen Dame zuwirft, doch dabei bewegte er sich geschickt so auf sie zu, dass er ihr den Weg versperrte.
Dadalore sah zu Bamulaus hinüber. Der Ältere musste ihr zur Hilfe eilen.
Der Capitalprotektor setzte eine betont gleichmütige Miene auf und sah durch sie hindurch. Oh nein, wo war Valenuru, wenn man ihn brauchte? Sie war allein. Sicher, sie könnte um Hilfe schreien, vielleicht würden die Capitalprotektoren sie hören. Aber welche Blöße sie sich damit gäbe. Und so wie die Dinge standen, würde Bamulaus vermutlich bestätigen, dass Ghalikan ihr gar nichts getan habe.
»Es wäre doch äußerst schade, wenn wir auf die Anwesenheit einer so reizenden Person verzichten müssten.« Der Oberste Hexenmeister legte den Kopf schräg.
Sie versuchte ruhig zu atmen. »Auch reizende Personen müssen gelegentlich den Abort aufsuchen, um weniger reizende Dinge zu verrichten.« Sie zwang sich ein Lächeln auf und machte einen Schritt vor.
Ghalikan bewegte sich nicht vom Fleck. Sie war nun ungebührlich
Weitere Kostenlose Bücher