Der Nachtelf (German Edition)
sagt Euch, dass ich ihn nicht umgebracht habe?«
Dadalore bleckte die Zähne. »Dazu komme ich noch.«
Der Nachtelf hatte ihren Worten scheinbar mit Interesse gelauscht. »Du machst das wirklich ganz fabelhaft«, lobte Valenuru.
Dadalore bedachte ihn mit einem schrägen Seitenblick. »Ja, kommen wir zu dir.« Sie baute sich vor ihm auf, die Hände in die Hüften gestützt, und funkelte ihn an. »Du hast mich angelogen.«
Er machte eine wegwerfende Geste. »Wahrheit wird überschätzt.«
Das brachte sie erst richtig in Rage: »Du willst Abkömmling einer göttlichen oder dämonischen Macht sein? Wo ist dein Gespür für richtig und falsch? Wie konntest du dich herablassen, Erfüllungsgehilfe solcher Machenschaften zu werden?«
Er sah sie ernst an. Und da fiel etwas von ihm ab. Es war nicht so, dass er sich körperlich verändert hätte. Vielmehr war es, als würde ein Schleier gelüftet, der ihn bisher unkenntlich gemacht hatte. Sein Antlitz war makellos, die Haut weiß wie Elfenbein, die Wangenknochen hoch, der Blick der Augen fremdartig, spitze Ohren lugten unter den schwarz schillernden Haaren hervor. Wie hatte sie bei seinem Anblick jemals glauben können, er sei ein Mensch?
Und als er anhob zu sprechen, da hörte sie zum ersten Mal seine Stimme klar und unverfälscht. Sie war von einer eigentümlichen Melodie beseelt. »Ich versichere dir, dass ich stets nur das Gute gemehrt habe in allem, was ich tat.«
»Da hört Ihr es«, triumphierte Ghalikan.
Dadalore sah den Nachtelfen nachdenklich an. »Es liegt ein wahrer Kern in den alten Legenden von Elfen und Feen, nicht wahr? Ich vermute, dass du hier bist, um die Bedürfnisse der Menschen zu stillen. Unglücklicherweise wurdest du von einer Gruppe beschworen, deren Begehren nicht rechtens war.«
»Es gibt kein Richtig oder Falsch in dem, was eine Seele will«, erwiderte Valenuru. »Wie hättest du dich gefühlt, wenn ich mich zum Richter deiner Entscheidungen gemacht hätte?«
Dadalore kämpfte ihre Gefühle nieder, so gut sie konnte. Sie durfte sich den Verstand jetzt nicht vernebeln lassen, weder durch Worte noch durch den wunderbaren Duft, der von Valenuru ausging ...
Als sie merkte, dass sie lächelte, fasste sie rasch das Tyrtalla-Amulett und atmete tief durch. »Zuerst hatte ich angenommen, dass du ein Spion der Verschwörer wärst, der bei uns eingeschleust wurde. Aber nun wurde mir klar, dass du die ganze Zeit versuchtest, mir zu helfen, ohne zugleich die Befehle deines Beschwörers zu missachten. Du solltest drei Leichen beseitigen. Das tatest du. Allerdings auf eine Art, die mich auf den Plan rufen musste. Du deponiertest sie an einer Stelle, an der ihnen größtmögliche Aufmerksamkeit gewiss war. Dann tratest du in der Maske meines Gehilfen auf den Plan. Nichts wollte ich mehr als einen Gehilfen, also wurdest du einer. Du halfst mir in allen Situationen, in denen ich allein nicht zurechtkam. Ja, sogar gegen Ghalikan, deinen eigenen Beschwörer, halfst du mir.« Sie schluckte und schlug die Augen nieder. »Dafür danke ich dir.«
»Ihr stecktet dahinter?« Ghalikans Zorn echote über das Plateau. »Das gefälschte Protokoll war Euer Werk? Wie konntet Ihr es wagen? Es ist Euch bei der verfluchten Macht der Exu untersagt, Euch gegen Euren eigenen Beschwörer zu richten.«
»Mich gegen den Befehl meines Beschwörers zu richten«, erläuterte Valenuru freundlich. »Valenuru, schaffe die Leichen fort, Valenuru, lehre uns die Verbotenen Künste, Valenuru, sage zu niemandem ein Wort über diese Verschwörung! Nun sagt selbst, Oberster Hexenmeister: Habe ich nicht allen Euren Befehlen Folge geleistet?«
»Ihr wusstet ganz genau, wie diese Befehle gemeint waren«, brüllte Ghalikan.
»Ihr solltet wirklich einmal die alten Sagen aus dem Stamme Teutomars lesen«, rief Dadalore aus. »Kennt Ihr nicht die, in denen die Elfen den Menschen Streiche spielen? Es erwischt meistens jene, die sie nicht leiden können.«
Ghalikans Stimme bebte vor unterdrückten Zorn. »Darüber werden wir noch zu reden haben, Kreatur!«
Die Capitalobservatorin sah den Hexenmeister unerbittlich an. »Und es ging noch weiter. Natürlich hattet Ihr ihm Schweigen befohlen. Aber mein Gehilfe gab sich redlich Mühe, mich schweigend auf eine günstige Fährte zu setzen. Er lenkte meine Aufmerksamkeit stets in die passende Richtung. Er drängte mich, nach Selassie zu gehen. Ich dachte, dass die Spur dort im Nichts endete. Jetzt weiß ich, dass es genau darum ging. Er wollte mir vor
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