Der Nachtelf (German Edition)
lehrt die Kunst, sich des Geistes von Menschen zu bemächtigen.«
Die Capitalobservatorin horchte auf. »Ihr vermögt, magische Befehle zu erteilen?«
»Ich kann Euren Willen zerquetschen wie eine Fliege.« Er musterte ihren Ausschnitt.
»Verzeiht, Oberster Hexenmeister, Ihr seid Euch bewusst, dass Ihr soeben zum Hauptverdächtigen in dieser Sache avanciert seid? Ihr könntet unter magischem Zwang den Wachen aufgetragen haben wegzusehen. Oder Ihr verhextet jemanden, der den Wachen übergeordnet ist und den sie bedenkenlos passieren ließen. In diesem Fall würden auch die Blutbiester keinen Alarm geben, weil nur jemand vorüber ginge, der sich jeden Tag dort aufhielte.«
Der Priester leckte sich über die Lippen. »Zweifellos stünde so etwas in meiner Macht. Ich könnte auch – Euch zum Beispiel – zwingen, mit mir zu tun, wonach auch immer mir der Sinn stünde.«
»Und ich könnte Euch augenblicklich verhaften lassen«, erwiderte Dadalore scharf.
Ghalikan räkelte sich wie unter höchsten Wonnen. »Hervorragend, hervorragend, Eure Capitalobservatorin, das könntet Ihr zweifellos. Doch Ihr lasst da eine Kleinigkeit außer Acht. Ein Mensch, der unter Zauberzwang gerät, verliert den Willen, nicht das Bewusstsein. Er erlebt jede Regung und jede Tat, die sein manipulierter Geist ausführt, voll und ganz mit. Und wenn die Zauberwirkung verfliegt ... Im Regelfall trägt der Beherrschte danach einen gewissen Hass gegen den Hexenmeister in sich. Ihr seht also: Wenn es irgendwelche Unglücklichen gäbe, mit denen ich oder einer meiner Priester so verfahren wäre, dann hätten diese Handlanger schön längst bei Euch auf der Wache gestanden und unsere Vergehen angeklagt.«
»Es sei denn, man schafft diese potentiell Gefährlichen rechtzeitig aus dem Wege«, bemerkte Dadalore spitz.
Ghalikan rückte seinen Sessel näher heran. »Ja, wenn Ihr in letzter Zeit irgendwelche hohen Würdenträger des Reiches vermisst, nur zu, somit gibt Eure ganze Theorie Sinn. Aber, Dunkler Heermeister hilf, es sind noch alle unsere Schranzen an Ort und Stelle. Wir müssen uns da ein wenig verrannt haben, Eure Capitalobservatorin.« Während er sprach, beugte er sich vor. Bei den letzten Worten streifte sein heißer Atem ihre Haut.
Die Beamtin spürte ein Kribbeln, das sie nicht fühlen durfte. Sie sprang auf und funkelte ihn an. »Woher wisst Ihr, dass es um die Würdenträger des Reiches geht? Das sind Ermittlungsgeheimnisse, niemand kann davon Kenntnis haben, es sei denn ...«
Ghalikan lehnte sich gelangweilt zurück. Er sah zu Teilen von ihr auf und schien der neuen Perspektive offenbar auch Vorteile abgewinnen zu können. »Patmelu hat es mir gesagt.«
»Patmelu-Wer-vergibt-versagt?«
»Der Prinzipalprotektor des Reiches«, bestätigte Ghalikan. »Und ein guter Freund von mir.« Plötzlich schnellte der Zauberer vor und griff nach ihrer Linken. »Ihr hattet wohl vergessen, ihn auf die Vertraulichkeit Eures Ansinnens hinzuweisen, Eure Capitalobservatorin.«
Dadalore stand da wie gelähmt. Hatte sie? Das wäre ein unverzeihlicher Fehler! Die höchste Geheimhaltungsstufe zu verletzen, zöge entsetzliche Strafen nach sich. Fieberhaft durchforschte sie ihr Gedächtnis, versuchte, sich jede Einzelheit ihres Gespräches mit dem obersten Sicherheitsbeamten des Palastes in Erinnerung zu rufen. Sie reagierte kaum, als Ghalikan über ihren Arm strich und sich langsam ihrem Oberkörper näherte. Bei den Himmlischen, sie konnte sich nicht erinnern, auf die Vertraulichkeit hingewiesen zu haben. Der kalte Schweiß brach ihr aus, jeder Regung unfähig stand sie dort. Sie brauchte unbedingt noch einen Lakaien. Jetzt erst gewahrte sie, dass Ghalikan sie an sich presste.
»Natürlich werde ich diese Verfehlung nicht melden müssen, wenn Ihr Euch mir gegenüber ein wenig freundlicher zeigt«, hauchte er.
Furuja sei ihr gnädig! Wenn sie ihn von sich stieße, würde ihr Leben in der Capitalstrafkammer enden. Und wenn sie ihn einfach gewähren ließe? Er war nicht hässlich und es würde hoffentlich schnell vorübergehen.
Ghalikan hielt sie umklammert. Sein Atem ging schneller.
Wenn sie nicht sofort Widerstand leistete, würde sie ebenfalls eine Verfehlung begehen. Sie gehörte dem König und niemandem sonst. Aber die immerwährende Hoffnungslosigkeit der Capitalstrafkammer stand ihr auch noch lebendig vor Augen. Oh, Tyrtalla hilf!
Wenigstens einen Lakaien hatte sie genommen.
Dadalore drückte den Priester bis auf Armeslänge zurück. »Ich
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