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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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Zufall sein, dass er die Überwachung eben jetzt abgebrochen hatte.
    Dadalore nahm ihren ursprünglichen Weg wieder auf. Und im gleichen Moment war auch das Gefühl, beobachtet zu werden, wieder da. Sie wirbelte auf dem Absatz herum. Passanten, über ihr plötzliches Manöver erschrocken, wichen rasch aus und gingen vorüber. Valenuru war nirgends zu sehen. Kalunga und Pest, was ging hier vor?
    Zu allem Übel würde ihr unsichtbarer Verfolger jetzt auch noch wissen, dass sie etwas ahnte. Sie hätte sich den impulsiven Ausbruch verkneifen müssen. Andererseits war sie vorhin mit einer unauffälligeren Taktik ebenso gescheitert.
    Da sie des Problems nicht Herr wurde, blieb ihr nichts anderes übrig, als es zu ertragen. Immerhin war der Besuch im Sagard-Tempel kein geheimer Zug ihrer Ermittlungen. Sollte sie doch dabei observieren, wer wollte.
    Plötzlich stand Waltumpe vor ihr, als wäre sie dem Erdboden entstiegen. »Kalunga mit dir, Kind!«
    Dadalore brauchte einen Moment, um sich zu fassen. »Waltumpe? Seid Ihr mir gefolgt?«
    »Die Dämonin will, dass sich unsere Wege kreuzen. Vier Mal«, kicherte sie.
    Die Capitalobservatorin wartete, ob wohl eine Erläuterung folgte. Als sie einsah, dass sie vergeblich ausharrte, fragte sie: »Und was hat die Dämonin Böses mit uns vor?«
    »Still sollst du sein!«, zischte Waltumpe und bebte so heftig, dass Hunderte ihrer rostroten Zöpfe wild herumflogen. »Kalunga böse zu nennen, ungehöriges Kind.«
    »Verzeiht«, fügte Dadalore vorsichtig an, »ich bin in den Lehren der Furuja und des Tyrtalla unterwiesen worden. Aber man versäumte wohl, mich über die anderen Staatskirchen aufzuklären.«
    »Palastsklaven!« Waltumpe spuckte das Wort mehr aus, als dass sie sprach.
    »Dämonen sind also nicht böse?«
    »Böse! Böse!«, keifte Waltumpe. »Du bist böse, böses Kind. Dämonen sind nicht böse. Ist der Tod böse? Ist Verfaulen böse? Kommt darauf an, Kind, kommt immer darauf an. Exu ist böse, oh ja.«
    Dadalore spürte, dass sie sich dem nächsten Fettnäpfchen näherte. Sie könnte einfach den Mund halten. Andererseits würde sie auf diese Weise nie erfahren, wovon Waltumpe eigentlich sprach. Also fragte sie doch: »Entschuldigt, Drude des dreifach gehäuteten Grades, aber warum sollte die Mondgöttin böse sein?«
    Die Alte grapschte der Capitalobservatorin blitzartig an den Kragen und zog sie zu sich herunter. Dadalore versuchte, ihren Ekel nicht allzu deutlich zu zeigen, ließ es aber geschehen. Tyrtalla hilf! Die Frau roch nach Fäulnisgasen, die zu unanständigen Geräuschen aus dem Sumpf stiegen. »Exu«, flüsterte Waltumpe und Pesthauch entstieg ihrem Mund. »Exu gibt dir, was dein Begehr ist. Grausam ist sie, grausam.«
    Dadalores einziges Begehren bestand derzeit in dem Bedürfnis nach einem Schwamm und einem Eimer Wasser. Ihre Zeit war zu kostbar, als sie mit der verrückten Alten zu verbringen. »Da habt Ihr ein wahres Wort gesprochen«, sagte sie versöhnlich. Zugleich versuchte sie, die Finger der Drude von ihrem Rettarock zu lösen.
    Doch Waltumpe ließ nicht locker. »Es ist der Fluch des Eremiten! Der Fluch!«, zischte sie.
    Dadalore konnte dieses Verhalten auf keinen Fall dulden. Die Leute gafften schon. Aber wenn sie Gewalt anwendete, würde sie es vermutlich nur noch schlimmer machen. Außerdem wollte sie es sich mit der Drude nicht verscherzen. Immerhin hatte sie noch etwas gut bei ihr. Die Capitalobservatorin überlegte angestrengt, wie sie die Zauberin besänftigen könne. »Böser Eremit?«
    »Ja, oh, ja!«, rief Waltumpe.
    Sie ließ los.
    Die Drude wandte sich umstandslos ab und redete vor sich hin.
    Ob Kalunga böse war, blieb für Dadalore dahingestellt, aber auf alle Fälle schien es nicht ratsam, zu lange in ihren Abgrund zu starren.
     
    Für die rot auf den Wellen des Sees liegende Abendsonne hatte die Capitalobservatorin keinen Blick. Während sie die Uferstraße entlang ging, schob sie sich Haarsträhnen zurück, die der Schweiß fest geklebt hatte. Verdammte Gluthitze!
    Mit dem Erreichen des Tempels hielt die Dämmerung Einzug, ohne dass die Temperatur nachgegeben hätte, denn der Acht-Uhr-Regen war fern. Das Kulthaus war ein Bauwerk in der üppigen Architektur des sechsten Jahrhunderts. Minderdämonen aller Größen und Gestalten, doch alle gleichermaßen hässlich, waren an der Front verewigt: Sie wanden sich die vier Säulen hinauf, auf denen der Dachfries thronte. Dort oben aber krallten sich weitere gnomen- und geierartige

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