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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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näherte ich mich einer Gruppe von üblen Schlagetots, die dort offenkundig ihre nächsten Untaten vorbereiteten. Ich duckte mich hinter einem Mauervorsprung und lauschte. Aber, der Abgrund sei verflucht, da gab der Schotter unter meine Füßen nach und ich sackte eine halbe Mannslänge in die Tiefe. Mir war nichts Ernstes geschehen, aber meine Beine steckten fest. Und kaum hatte ich mich endlich befreit, da umringten mich die drei Mordgesellen. Ja, es war eine dreifache Übermacht – ich hoffe, Ihr habt den Teil mitbekommen – die da auf mich losging. Ich konnte dem Anführer und dem Weibsbild die eine oder andere Säbelattacke bieten, da stieß mir der Dritte seinen Dolch tief in die Seite. Ich versuchte, ihm die Waffe zu entwinden, er mühte sich, sie der Wunde zu entreißen. Der Schmerz war unbeschreiblich und der Rest der Erinnerung löst sich in roten Schlieren auf.
    Irgendwann kam ich, blutend und auf dem Boden liegend, wieder zu mir. Ich schleppte mich bis hierher und bekam von Bamulaus einen Trunk eingeflößt, damit ich nicht erneut das Bewusstsein verlor.«
    Er hatte seine Erzählung beendet. Dadalore hatte die Augen geschlossen und fühlte nur das Streicheln. Irgendwann sickerte die Erkenntnis zu ihr durch, dass dieses Verhalten sich nicht ziemte. Sie blickte auf und sah direkt in seine grünen Augen.
    Er lächelte. »Der Dienst im Bezirk Zentrum fordert das Seinige.«
    Sie drehte sofort den Kopf weg, weil sie spürte, wie ihr die Züge entglitten.
    »Wie ist Euch? Wartet, setzt Euch erst hin.« Er ließ sich langsam zu Boden gleiten und weil er ihren Arm umfasste, glitt sie mit. Sie saßen dort nebeneinander, die Brunnenmauer im Rücken. Er hielt sie und sah sie stumm an.
    Und dann erzählte sie es doch. Sie begann mit ihrem Besuch im Palast, berichtete von ihrer Unterredung mit dem Prinzipalprotektor. Stockend wies sie auf ihr Versäumnis hin. Ihre Befragung der Ersten Stellvertretenden Staatsschamanin fasste sie nur kurz zusammen. Sie setzte an jener Stelle fort, als sie das Unheiligtum des Sagard betreten hatte. Dass Valenuru sie auf dem Hinweg verfolgt hatte, überging sie, da es ihr nicht der rechte Zeitpunkt schien, um es zur Sprache zu bringen. Sie berichtete hingegen ausführlich von ihrem Gespräch mit Ghalikan und kam schließlich dazu, wie der Hexenmeister sie bedrängt und mit seinem Wissen um ihr Versagen unter Druck gesetzt hatte. »Und wenn er nicht bis übermorgen Abend tot umfallen sollte, wird sich der Abgrund auftun und mich verschlingen – so oder so.«
    Valenuru nahm ihren Kopf und bettete ihn auf seiner Schulter.
    »Was tut Ihr? Ihr wisst, wir dürfen als Sklaven nicht ...«
    »Das tun wir ja auch nicht«, beruhigte er sie. »Es sei denn, Ihr kennt eine Methode, mit Eurem Ohr Unzucht an meiner Schulter zu treiben.«
    Dadalore lächelte schwach.
    Stille folgte. Eine endlose, heilige Ruhe, in der die Geräusche der Stadt ganz fern waren. Ihr Kopf war so schwer geworden, dass es unendlich gut tat, ihn hier für eine Weile nicht mehr tragen zu müssen. Hier waren nur sie und der Brunnen. Wenn sie hier blieben, einfach bis übermorgen Abend hier so sitzen blieben, sie hätten das Beste aus dem Rest ihres Lebens gemacht. Dadalore griff mit beiden Händen nach Valenurus Arm und klammerte sich daran. »Warum müssen denn alle Wege in den Abgrund führen?«
    Er begann, Ihr über das Haar zu streichen. »So will es jedem scheinen, der in die falsche Richtung läuft. Dabei liegt der Ausweg nah. Ihr müsst nur tun, was alle tun, die etwas zu verbergen haben: Ihr werdet lügen.«
    Dadalore keuchte auf. Allein sein sanfter Druck hinderte sie daran aufzustehen. »Aber ich bin der Wahrheit verpflichtet. Ich habe einen Eid auf Tyrtalla geschworen!«
    »Beruhigt Euch wieder. Ihr müsst nicht Euren Seelenfrieden verlieren, nur weil wir im Geiste ein paar Möglichkeiten durchspielen. Man darf das alles nicht zu eng sehen. Warum nehmt Ihr ein Amt so wichtig, dass Ihr ohnehin aufgeben wollt?«
    Dadalore drehte sich an seiner Seite so weit, dass sie ihn von unten ansehen konnte. »Woher wisst Ihr das?«
    Sein Gesicht lag im Dunkeln. Nur die Augen leuchteten wie zwei helle Punkte. »Ich kenne mich ein wenig aus mit Menschen. Und ich habe mir erlaubt, Euch aufmerksam zu beobachten. Wenn Euer Leib arbeitet, ist Eure Seele fern.«
    Sie schwieg und ahnte, dass ihr Schweigen Bestätigung war. Schließlich sagte sie: »Das ändert nichts. Solange mir diese Aufgabe aufgetragen ist, habe ich sie ordnungsgemäß

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