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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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mitreißend, dass sie um ein Haar in das Geschrei eingestimmt hätte. Ruhig, sie musste einen klaren Kopf bewahren. Am liebsten hätte sie einen der beiden Lakaien genommen, die sie mitführte. Aber der Gebrauch von himmlischer Magie würde hier gewiss nicht gern gesehen.
    Die Rufe der Menge verebbten und die Sklavin entspannte sich etwas. Der Mythos von der Entstehung der Welt, den sie mit angehört hatte, war ihr seltsam verdreht vorgekommen. Aber schließlich musste die Kirchenspaltung im vierten Jahrhundert ja ihre Gründe haben.
    Die Schwarze Messe nahm ihren Lauf mit kraftvollen Gesängen und einem halben Dutzend Kesseln, die schwarzen Rauch ausstießen. Auf dem Höhepunkt des Dämonendienstes schließlich opferte der Prediger ein Totenkopfäffchen in einem blutigen Ritual.
    Als die Messe beendet war, ließ sich Dadalore mit den Gläubigen nach draußen treiben. Sie suchte eine Ecke auf, die etwas abgelegen war. Dort nahm sie kurz einen Löwen-Lakaien. Erfrischt und tatendurstig kehrte sie in den Tempel zurück.
    Hier diskutierte nur noch eine kleine Gruppe von Sagard-Anhängern eifrig. Ansonsten lag der Raum verlassen unter schwarzen Schwaden. Dadalore hielt Ausschau nach dem Prediger. Hinter dem Altar stand eine Tür offen. Die Capitalobservatorin hielt direkt darauf zu. Gerade als sie hindurchtreten wollte, erschien plötzlich der Priester in der Öffnung. Sie fuhr zusammen und ärgerte sich gleich darauf über ihre eigene Schreckhaftigkeit.
    »Verzeiht, ich suche den Obersten Hexenmeister des Sagard.«
    Der Mann lächelte. Schwarze Lippen umrandeten weiße Zähne. »Ghalikan-Wer-würde-ihn-missen, zu Euren Diensten.«
    »Ihr seid es selbst?«
    »Der Oberste Hexenmeister leitet traditionell die Messe im Haupthaus der Kirche.«
    »Mein Name ist Dadalore-Was-soll-das-Dunkle-nachts, Capitalobservatorin Ihrer Majestät, ich ermittle in einer ... wichtigen Angelegenheit. Gibt es hier einen Ort, an dem wir ungestört sprechen können?«
    Der Prediger nickte und machte den Eingang frei. Die Kammer hinter dem Altar war oval und vollständig aus Basalt gefügt. In einem Schritt Höhe lief ein Sims die Wände entlang, der mit Metallschalen bedeckt war, in denen rote Glut brutzelte. Der ganze Raum wurde in ein unwirkliches Licht getaucht. So musste es am Tor zum Abgrund aussehen, bevor die lichtlosen Tiefen Kalungas begannen. Ob sie wohl das Allerunheiligste betreten hatten?
    Sie nahmen in dunklen Ledersesseln Platz. Ghalikan bot ihr eine Schüssel mit gelben Fladen an. Dadalore, die noch nicht zu Abend gegessen hatte, bediente sich dankend. Beim ersten Bissen stellte sie fest, dass die Maistaschen mit äußerst delikat gewürztem Quark gefüllt waren. Sagard sei Dank, schmeckte das gut.
    »Ihr spracht vom Grund Eures Hierseins.« Ghalikan war ein attraktiver Mann. Vielleicht fünfzehn Jahre älter als sie selbst, aber damit immer noch erheblich jünger, als sie es von einem Kirchenoberhaupt erwartet hätte.
    »Eine Mordsache, ja. Ich muss Euch in diesem Zusammenhang einige Fragen stellen. Darf ich mich auf die unbedingte Vertraulichkeit dieses Gespräches verlassen?«
    Ghalikan grinste, als wolle er sie fressen. »Natürlich.«
    Dadalore biss noch einmal in den Maisfladen. Der Genuss traf sich mit der Absicht, ihre Gedanken kurz ordnen zu können, bevor sie das Wort ergriff. »Eure Fähigkeiten werden weithin gerühmt«, nuschelte sie.
    »Wie auch Eure Liebe zur Wahrheit.« Ghalikans Zähne blitzten kurz auf. Er sprach nun seinerseits den Köstlichkeiten zu.
    Dadalore lächelte geschmeichelt. »Ich möchte Euch bitten, ein wenig Eure Fantasie zu gebrauchen: Jemand dringt ungesehen in ein hervorragend bewachtes und magisch gesichertes Gebäude ein. Kein durch Zauberkraft geschärfter Sinn vermag ihn zu erfassen. Kein Blutbiest erwacht, wenn er vorübergeht. Ich benötige eine fachkundige Stellungnahme Eurerseits, wie das möglich ist.«
    »Überhaupt nicht«, antwortete der Hexenmeister sofort.
    »Es ist bereits geschehen«, widersprach Dadalore. »Ich frage Euch also nicht nach dem Ob, sondern nach dem Wie.«
    Der Priester lehnte sich lasziv zurück. »Ich glaube, Ihr stellt die falsche Frage.«
    »Ich glaube, ich stelle genau die richtige Frage.«
    »Sehr gut«, lobte Ghalikan, »ich begrüße Euren Widerstand.« Er sah sie deutlich anders an, als es schicklich war.
    Dadalore bewahrte mühsam die Fassung. »Beantwortet bitte die Frage.«
    Der Priester wechselte die Position. Das Leder unter ihm knirschte. »Sagard

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