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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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weiß Euer Angebot zu schätzen«, sagte sie heiser. »Ich denke darüber nach.«
    Das Lächeln des Hexenmeisters fror ein. »Denkt nicht zu lange nach, Sklavin. Wenn ich Eure Antwort bis übermorgen Abend nicht habe, werde ich den König über Eure Pflichtvergessenheit in Kenntnis setzen müssen.«
    »Wie Ihr meint«, flüsterte Dadalore. Sie reichte dem Zauberer beide Hände zum Abschied. Als Ghalikan sie ergriff, schrak sie zusammen. Bei allen Dämonen des Abgrunds, seine Linke, das war keine knochige Hand, das war eine skelettierte Hand!
    Der Hexenmeister lächelte dünn. »Was denn, Eure Capitalobservatorin, bringt Ihr Eurem Amt keine Opfer?«
    Dadalore riss sich los. Ihr Weg zur Tür glich eher einer Flucht als einem geordneten Abschied. Sie warf noch ein »Ihr hört von mir« zurück, dann stolperte sie durch den Andachtsraum und hinaus in die heiße Nachtluft.
    Erst als die Tür hinter ihr zufiel, kamen die Tränen.
     
     
     
    Die Versuchung
     
     
    Rasch hatte Dadalore auch den zweiten Lakaien genommen und den Tränenfluss zum Versiegen gebracht. Das Hochgefühl nach Gebrauch eines Lakaien wollte sich diesmal nicht recht einstellen, aber der Schrecken und die Trauer wurden unterdrückt. Sie fühlte sich wie betäubt.
    Dennoch kreisten ihre Gedanken immerzu um das Geschehene. Sie hatte eine Galgenfrist von achtundvierzig Stunden erkauft, bis das Schicksal sie auf die eine oder andere Art in die gierigen Fänge bekam.
    Immer wieder sah sie die toten Finger dieses Mannes vor sich, glaubte, die bleichen Knochen über ihren nackten Leib gleiten zu spüren. Sie schrie und schrie in diesem Bild und wusste doch keinen Ausweg.
    Jetzt stand sie vor der Capitalobservationskammer, ohne dass sie zu sagen wusste, wie sie hier hin gelangt war.
    Wie in Trance warf sie einen Blick in den Schreibsaal der Capitalprotektoren, der zu dieser späten Stunde nahezu menschenleer war. Nur Bamulaus blickte erschrocken auf, als die Tür knarrte. »Eure Capitalobservatorin?«
    »Schon gut, Bamulaus, es ist nichts.« Sie zog sich in den Flur zurück. Danach besann sie sich doch und steckte den Kopf noch einmal durch die Tür. »Bamulaus?«
    »Ja?«
    »Ist Valenuru noch da?«
    »Ja, Eure Capitalobservatorin. Er ist im Hof, um die Wunde zu versorgen. Die Akte ist übrigens endlich eingetroffen. Ich habe sie zusammen mit den anderen Protokollen von heute auf Euren Schreibtisch gelegt.«
    »Gut.«
    Dadalore schloss die Tür. Wie eine Schlafwandlerin ging sie hinüber in ihr Büro und nahm Platz. Ein großer Stapel Pergamente. Sie hatte Bamulaus nachforschen lassen, ob Annanakas und Waltumpes Auskünfte über die Zauberkunst der Wahrheit entsprachen. Drei Protokolle mit Zauberinnen schienen ihre Aussagen zu bestätigen. Die Beamtin griff mechanisch zu einer Schreibfeder und machte eine kurze Notiz, dass die Behauptungen Ghalikans in ähnlicher Weise zu überprüfen seien.
    Ein weiteres Bündel Pergamente war dem Tod des Priesters heute Morgen gewidmet. Dadalore überflog die Zeilen. Den größten Teil nahm ein Verhörprotokoll mit Waltumpe ein, in dem die Drude ihre Aussagen noch einmal wiederholte. Außerdem war der Schamane inzwischen von einem Freund als Ankubu-Was-heißt-Vertrauen identifiziert worden. Dadalore prägte sich den Namen des Toten und auch den seines Freundes ein.
    Zusätzlich war da eine Reihe von Aufzeichnungen über sonstige Vorfälle des heutigen Tages. Betrunkene hatten randaliert, ein Marktaufseher war des Betruges angeklagt worden und Bürgersöhne hatten sich an einer Sklavin vergriffen.
    Das letzte Pergament knüllte Dadalore zu einem Ballen zusammen. Dann glättete sie es wieder, so gut es ging, und legte es zurück auf den Stapel. Die Sache mit dem Marktaufseher notierte sie sich. Um den Rest konnte Bamulaus sich kümmern.
    Da war die Akte aus der Capitalstrafkammer. Dadalore überflog das Einlieferungsprotokoll. Der Ermordete hieß Mhabubkar-Was-soll-es-kosten und war seinerzeit im Volk der Schlitzer genannt worden, weil er als Assassine seinen Opfern gewerbsmäßig die Kehle durchschnitten hatte. Es sah ganz so aus, als ob ihn sein trauriges Ende angesichts dieser Bluttaten nicht zu Unrecht ereilt hatte.
    Blut.
    Irgendetwas stieß das in Dadalore an. Wie versteinert hockte sie da.
    Wunde.
    Bamulaus hatte etwas von einer Wunde gesagt. Valenuru, er war verletzt! In den Hof.
    Dadalore eilte durch den Korridor nach hinten. Das letzte Licht im Schreibsaal war inzwischen erloschen. Dadalore öffnete die Tür zum

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