Der Nachtelf (German Edition)
in den Schlund. Der Kopf des Untiers sackte nach unten. Unvorstellbare Mengen an Blut und die Leichen all derer, die das Monstrum gefressen hatte, quollen zwischen seinen Zähnen hervor.« Er sah sie eindringlich an. »Ich glaube, die Kriegerin wart Ihr.«
Dadalore wusste nicht, was sie sagen sollte. Vermutlich sollte sie sich geschmeichelt fühlen. Tatsächlich hatte sie bei den Übungen im Sklavenpferch mit Hieb- und Wurfwaffen immer außergewöhnlich gut umzugehen gewusst. Dennoch war sie ihrem Selbstverständnis nach so wenig eine Kriegerin wie ein Dromedar. Sie verstand allerdings, dass Fumofred glaubte, ihr etwas höchst Wichtiges mitgeteilt zu haben. Wenn sie seine Worte anzweifelte, hatte sie es sich mit ihm vermutlich auf immer verdorben.
Glücklicherweise wurde ihr die Last, die richtigen Worte zu finden, abgenommen, da er weiter sprach: »Und deswegen möchte ich Euch etwas schenken.«
»Das ist wirklich nicht notwendig.«
»Keine Widerrede«, gebot er. »Ich werde Euch etwas schenken!«
»Es geht mir nicht darum, mich aus Höflichkeitsgründen zu zieren«, antwortete sie streng. »Ihr wisst, dass Sklaven keine privaten Besitztümer haben dürfen.« Sie sah auf den Stahlring um seinen Hals.
»Das ist kein privater Besitz«, beschied er diktatorisch. »Es geht um ein rein dienstliches Geschenk. Wartet hier, ich muss in die Werkstatt.«
Noch ehe sie zu neuerlichem Protest anheben konnte, war er zur Tür hinausgefegt.
Sie hatte noch nie etwas einfach dargeboten bekommen. Alles, was sie nutzte, gehörte dem Reich. Schenken war, so weit sie wusste, eine Beschäftigung für Bürgerliche in Mußestunden. Aber noch nie hatte sie so gut wie jetzt nachvollziehen können, worin der Reiz dabei lag. Was für eine Art Präsent es wohl sein mochte? Fumofred hatte von seiner Werkstatt gesprochen. Also war es vermutlich etwas, das man zusammenbauen konnte.
Der Ruptu sah sie immer noch an.
Es gelang ihr nicht, ihren gedanklichen Faden wieder aufzunehmen. Unter dem Blick dieser Reptilienaugen fühlte sie sich einfach zu unwohl. Außerdem war es mehr als sonderbar, so schweigend vor einander zu stehen. Aber eine belanglose Plauderei mit einer Echse führen? Unmöglich.
Da fiel ihr wieder ein, dass der Ruptu möglicherweise Fumofred entlasten konnte. So sehr sie auch davor zurückschreckte, ihn anzusprechen, sie konnte doch nicht eine wichtige Zeugenbefragung unterlassen.
Dadalore räusperte sich. »Entschuldigt.«
Geschlitzte Pupillen musterten sie reglos.
»Ihr habt Euch mir noch gar nicht vorgestellt.«
Erst sah es so aus, als würde die Echse einfach weiter dort stehen, reglos bis zum Ende aller Dinge. Doch dann öffnete sich tatsächlich das Maul und die raue Stimme des Ruptu erklang: »Ich heiße Kibetu.«
»Das ist doch kein Ruptu-Name. Das ist Alt-Luagh.«
»Es beliebte meinem Herrn, mir diesen Namen zu geben.«
»Das darf doch nicht wahr sein«, empörte sich Dadalore. »Das ist das Alt-Luagh-Wort für ...«
»Ich weiß, was das Wort bedeutet.«
»Das ist wirklich niederträchtig«, sagte Dadalore leise. Die Echse ragte übermannsgroß vor ihr auf. Ein Berg aus Schuppen, Klauen, Zähnen und Muskeln. Es war verstörend, dass ihm so gar keine Regung zu entnehmen war. Und dennoch glaubte die Sklavin zu spüren, dass es ein Geschöpf war, das über Stolz verfügte. »Darf ich Euch etwas fragen?«
Man konnte den Ruptu nicht einmal atmen sehen.
Dass keine Antwort erfolgte, verunsicherte sie noch mehr. Jedoch hatte sie nicht mehr viel Zeit, bis Fumofred zurückkehrte und in seinem Beisein würde sie diese Unterhaltung gewiss nicht fortsetzen können. So holte sie tief Luft. »Warum lasst Ihr Euch das alles gefallen?« Bei den letzten Worten machte sie eine unbestimmte Geste in Richtung des Fensters.
Und jetzt bewegte sich der Ruptu tasächlich. Sein massiger Schwanz pendelte über den Boden mit einem Geräusch, das halb Kratzen, halb Schleifen war. »Wir lassen uns das nicht gefallen. Wir warten.«
»Als ob das hülfe.«
Der Schwanz beendete seine Bewegung. »Menschen sind nur ein Geschlecht unter der Sonne. Wir haben viel gesehen. Imperien kommen und gehen. Wir warten.«
Dadalore reckte trotzig das Kinn. »Dieses Reich wird nicht vergehen! Nicht, solange es Menschen gibt, die bereit sind, es zu verteidigen.«
Der Blick der kalten Augen lag auf ihr. »Träume werden es nicht retten.« Plötzlich traten die Reißzähne der Kreatur hervor. Dadalore wusste nicht im Geringsten, welcher Mimik sich Ruptu
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