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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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ihren Nachbarn, einige schlossen die Augen und dösten vor sich hin.
    Der Junge sah sie mit großen Augen an. »Würdest du mich wieder halten?«
    Dadalore hatte immer noch das Gefühl, etwas wieder gut machen zu müssen, und griff in der Brühe nach seinen Fingern. Erst schien er überrascht, dann erwiderte er den Druck.
    Allerdings sah er sie immer noch erwartungsvoll an.
    Ihr fiel auf, dass der Mann, der halb zwischen ihnen klemmte, sie plötzlich anlächelte.
    Verfluchtes Durcheinander! Sie entzog ihm rasch ihre Hand und reichte sie diesmal dem Jungen.
    So saßen sie eine Weile und jeder hing seinen Gedanken nach.
    Es war eine Schande, dass Gervana nicht aufgetaucht war. Das ganze Elend sollte sich am Ende nicht einmal gelohnt haben? Das durfte nicht sein. Vielleicht könnte sie ja den anderen Kultisten etwas über die Frau entlocken.
    Sie spürte, wie sie irgendwo in der Brühe jemand unsittlich berührte. Ihr Kopf ruckte herum. Die Miene Ulbunnas war eindeutig.
    »Sag mal, wie alt bist du eigentlich?«, fragte Dadalore streng.
    Er sagte sein Alter.
    Dadalore erstarrte.
    »Junge, wenn du dein erstes Schamhaar noch erleben möchtest, nimmst du jetzt sofort die Finger da weg!«
    Die Berührung verschwand.
    Ulbunna sackte zu einem Häufchen Elend zusammen.
    Dadalores Zorn verrauchte sofort wieder. Was hatte sie auch erwartet? So wie sie dem Jungen den Kopf verdreht hatte, trug sie selbst Schuld an dem, was geschehen war. Dabei hatte sie nur ihre Ermittlungen im Sinn gehabt und ihn einfach ausgenutzt. Ja, sie hatte sich regelrecht schäbig verhalten und die Seele eines halben Kindes mit Füßen getreten ...
    Sie stutzte. Ulbunna lächelte bereits wieder. Er war noch näher an seine andere Nachbarin herangerückt, als es die Enge ohnehin schon erforderte. Er schien auch breiter geworden zu sein, hatte die Schultern hochgezogen und die Brust herausgestreckt.
    »Wie alt bist du denn?«, fragte die Frau.
    Der Junge nannte zwei Jahre mehr als beim letzten Mal.
    Die Frau lachte.
    Dadalore verdrehte die Augen.
    Sie glaubte jetzt, den Geruch nach Blut trotz des beißenden Qualms wahrnehmen zu können. Es war ihr unbegreiflich, wie die anderen hier Entspannung finden konnten. Sie stellte fest, dass einige Paare auch noch begannen, sich zu küssen. Das war doch hoffentlich nicht Teil des Gottesdienstes.
    Jemand klopfte an die Tür.
    Alle Gespräche erstarben schlagartig und selbst die Pärchen ließen voneinander ab. Der Bärtige, der sie eingelassen hatte, machte Anstalten aufzustehen, da gebot ihm Horwonga mit einer Geste Einhalt. »Wer stört die Messe des Herrn?«, rief er.
    Eine Frauenstimme antwortete: »Wir erbitten Eure Verzeihung für unsere Verspätung. Eine Capitalobservatorin hat uns aufgehalten.«
    Dadalore war sich ziemlich sicher, dass sie die einzige Capitalobservatorin im Bezirk Zentrum war. Wer auch immer da kam, war um eine dumme Ausrede offenbar nicht verlegen.
    »Euch sei verziehen«, rief der Vorbeter.
    Eine bildhübsche Frau und ihr Begleiter traten ein. Gervana! Dadalore hatte nur zwei Atemzüge, um sich zu freuen, dass ihr unfreiwilliges Bad vielleicht doch nicht vergebens war.
    Nun trat der Begleiter aus ihrem Schatten. Es war Rattengesicht. Und Konmani konnte sie zweifellos jeden Augenblick wiedererkennen. Sie wollte gar nicht erst wissen, was die Kultisten mit einer Capitalobservatorin anstellten, die sich heimlich eingeschlichen hatte! Sie musste auf der Stelle hier weg. Aber wie, ohne bemerkt zu werden? Das war unmmöglich.
    Gervana und Rattengesicht kamen näher.
    Dadalore tauchte unter.
    Das war fürs Erste sicher. Aber ihre Luft wurde schnell knapp. Sie hatte nur wenige Augenblicke Bedenkzeit gewonnen. Ihr kamen wieder die beiden Sonnen in den Sinn, die sie vorhin gesehen hatte. Eine aus der Situation geborene Einbildung. Oder eine Vision? Die Sonnen hatten fast ausgesehen wie Konmanis Tätowierung. Zwei Sonnen, die schon so nah waren, dass sie ihre Hitze spüren konnte. Und dennoch war sie nicht verbrannt. Ja, die einfachsten Lösungen waren doch häufig die besten.
    Dadalore legte den Kopf in den Nacken und tauchte wieder auf, aber nur so weit, dass wenig mehr als ihre Augen und ihre Nase herausragten. Sie schmierte sich mit den Daumen das Blut von den Augenlidern, ließ es aber auf dem Rest der Haut. So sollte sie nun wirklich niemand erkennen können.
    Gervana und Konmani quetschten sich wahrhaftig ebenfalls in den Zuber. Das Menschenknäuel wurde noch ein wenig dichter. Die beiden saßen

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