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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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unauffällig in der dritten Reihe zu sitzen und zu lauschen. Stattdessen ...
    »Siehe, es sind Neue unter uns!«, rief der Vorbeter.
    »Siehe, es sind Neue unter uns!«, echoten die Gläubigen.
    Dadalore fühlte ihren Fluchttrieb erwachen. Sie hatte vorhin ihren letzten Lakaien genommen. Aber gegen die geballte Aufmerksamkeit, die ihr jetzt zuteil wurde, war das zu wenig. Sie hoffte, dass niemand sah, wie ihre Hände zitterten.
    »Den Neuen gebührt die Ehre des ersten Dienstes«, donnerte Horwonga.
    »Den Neuen gebührt die Ehre des ersten Dienstes«, wiederholte die Menge.
    Alle starrten sie an.
    Man schien irgendetwas von ihnen zu erwarten. Wenn sie nur wüsste, was zum Abgrund die Ehre des ersten Dienstes war. Ihr Schweigen weckte allmählich Misstrauen. Sie musste sich rasch etwas einfallen lassen.
    Dadalore versetzte dem Jungen einen Stoß, der ihn vor die Meute stolpern ließ. In hoffnungslosen Situationen musste es erlaubt sein, ein Bauernopfer zu bringen.
    Die Kultisten packten ihn an Armen und Beinen und begannen, dem völlig verstörten Ulbunna die Kleider zu entreißen.
    Dadalore bereute hundertfach, dass sie ihm das angetan hatte. Aber was sollte sie tun? Mit dem sicheren Gefühl, dass sie dafür in die finstersten Tiefen des Abgrundes kommen würde, beobachtete sie, wie die Gläubigen den inzwischen völlig nackten Ulbunna an Armen und Beinen packten. Ungeachtet seines wilden Zappelns hoben sie ihn bis über ihre Köpfe. Der Junge hatte die Augen flehend aufgerissen, suchte den Blick Dadalores. Und die Meute versenkte ihn in dem Trog.
    Nach einigen beängstigenden Augenblicken tauchte er wieder auf und hustete. Dadalore hatte schon befürchtet, dass er nun in Tränen ausbrechen würde, aber er schien erstaunlich gefasst. Genau genommen grinste er sie sogar an. Was ging eigentlich im Kopf dieses ...
    Die Kultisten kamen nun auf sie zu. Oh nein!
    Kräftige Hände packten sie und hoben sie hoch. Ihre Füße lagen höher als ihr Kopf. Diese Verrückten zogen ihr die Stiefel aus und zerrten an ihren Beinkleidern. Carlurus hübsches Gewand wurde ihr über den Kopf gezogen und verschwand aus ihrem Sichtfeld. Diese Barbaren machten auch vor ihren Untergewändern nicht Halt. Völlig entkleidet trug man sie auf den rot gefüllten Bottich zu. Sie wurde brutal hinabgedrückt, schaffte es gerade noch, kurz Luft einzusaugen, bevor die zähflüssige Brühe über ihr zusammenschwappte.
    Eine eigentümliche Stille herrschte hier unten.
    Sie hatte die Augen fest zugepresst, aber dennoch sah sie Lichtflecken. Das waren nicht einfach nur Flecken, das waren zwei helle Sonnen, die sich rotierend auf sie zu bewegten. Bei Tyrtalla, sie konnte die Hitze spüren!
    Schließlich tauchte sie auf und atmete tief, aber ruhig ein.
    »Geht es dir gut?«, fragte Ulbunna besorgt.
    Sie wischte sich notdürftig die rote Brühe aus den Augen. Auch ihre Lippen waren damit benetzt. Exuverflucht, das schmeckte ja wie Blut.
    »Du schaust so sonderbar«, stellte der Junge fest.
    »Weißt du, was das ist?«, keuchte sie und starrte in das Blutbad.
    Er nickte. »Ist noch schön warm, nicht?« Zumindest merkte er, dass sie die Freude darüber nicht teilen konnte.
    Die Kultisten durften sich offenbar selbstständig entkleiden. Sie legten ihre Gewänder zu Stapeln vor den Waffenständern zusammen und stellten ihre Schuhe davor. Dadalore suchte Carlurus Gewand, konnte es aber nirgendwo finden. Verdammt! Was, wenn sie hier vorzeitig verschwinden musste? Sie konnte doch nicht nackt und blutbeschmiert durch die Stadt laufen.
    Die Gläubigen stiegen nun ebenfalls in den Kübel. Einige stellten sich zuerst und bestrichen die Glieder andachtsvoll der Länge nach mit Blut. Danach setzten sie sich, alle mit dem Rücken zur Wand. Es wurde allmählich eng. Ein dicklicher Herr um die Vierzig drückte sich so eng neben sie, dass sie auf Ulbunna zurutschen musste. Und es folgten noch weitere Badende nach. Inzwischen mussten sie auch in der Mitte Platz nehmen und das Innere der Wanne verwandelte sich immer mehr in ein Knäuel aus Leibern.
    Als letzter stieg Horwanga in den Bottich. Er beträufelte seine Brust mit einer Handvoll Blut und rief: »Siehe, der Herr ist in uns und um uns!«
    Diesmal stimmten Dadalore und mit leichter Verzögerung auch Ulbunna mit ein: »Siehe, der Herr ist in uns und um uns.«
    Nachdem der Vorbeter Platz genommen hatte, schien der offizielle Teil des Gottesdienstes vorerst beendet zu sein. Die meisten Anwesenden unterhielten sich mit

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