Der Nachtelf (German Edition)
ihm nicht geben wolltet.«
Marmara nickte. Sie schlang die Arme umeinander.
Dadalore sah zu Boden. Sie hatte bereits gewusst, dass Ghalikan ein Schwein war, aber nach dem, was sie gerade erfahren hatte, musste sie sich korrigieren. Er war ein leibhaftiger Dämon. Dem Abgrund entstiegen, um den himmlischen Seelen nicht wieder gutzumachende Schäden zuzufügen. Und ganz offensichtlich achtete er die Grenzen nicht, die Tyrtallas Gebote setzten. Es war nicht genug damit, dass sie ihren Hals vor diesem Unmenschen rettete. Sie schwor sich, nicht zu ruhen, bis sie den Obersten Hexenmeister zur Strecke gebracht hatte. Gerne hätte sie nun eine Hundertschaft Capitalprotektoren befehligt und den Schwarzen Tempel gestürmt. Leider stand sie stattdessen hier, hinter dieser verletzten Frau und wusste nichts zu sagen.
Schließlich fragte sie nur: »Möchtet Ihr vielleicht einen Augenblick allein sein?«
Marmara nickte.
Die Capitalobservatoren verließen den Raum. Valenuru zog die Tür zu. »Jetzt haben wir, was wir suchten«, sagte er dumpf.
»Und ich bin sicher, wir könnten noch mehr finden.« Dadalores Stimme bebte. »Jemand, der solche abartigen Gelüste hat, verliert sie nicht einfach über Nacht. Wenn wir ein wenig nachforschen, finden wir bestimmt noch mehr Frauen, die uns ähnliches berichten werden.«
»Vermutlich habt Ihr recht. Dennoch sollte das Gehörte genügen, um ihn vorerst in die Schranken zu weisen. Wenn er sich an Euch vergreifen will, gebt zu erkennen, dass Ihr Bescheid wisst, und droht ihm mit der ganzen Härte des Gesetzes, damit er sich davonmacht.«
»Das ist zu wenig«, rief Dadalore aus. »Ich will ihn in Ketten sehen!«
»Womit wir den Vorgang zu protokollieren haben.«
»Wir müssen uns selbst darum kümmern. Wenn Ghalikan heute Abend meine ... Gefolgschaft einfordert, will ich ihm das Ding unter die Nase halten.«
»Ihr solltet ihm zumindest sagen, dass Ihr den Vorgang nicht zur Anzeige bringt, wenn er Euch in Ruhe lässt. Er muss verstehen, dass es das Beste für ihn ist, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.«
Dadalore seufzte. »Ihr habt ja recht. Lasst uns die Sache hinter uns bringen.« Sie machte Anstalten, Marmaras Kammer wieder zu betreten, da blockierte Valenuru ihr den Weg.
»Ist noch etwas?«
»Vergesst nicht, dass Ihr auch die Morde aufzuklären habt. Diese leidige Angelegenheit hier hat Euch schon lange genug davon abgelenkt. Warum geht Ihr nicht einfach zurück zur Dienststelle und ich nehme hier alles Weitere in die Hand.«
Dadalore betrachtete ihn misstrauisch. »Ihr wollt den ganzen Schriftkram alleine ...?«
»Oh, ich schwinge gerne einmal die Schreibfeder.« Er bedachte sie mit einem so harmlosen Lächeln, dass sie alles andere als beruhigt war. Andererseits hatte er recht. Sie stand wirklich unter ungeheurem Druck und Ghalikans Übergriff war das Letzte, was sie nun brauchen konnte. Wenn sie die Pergamenteschlacht gespart hätte, würde sie ein bis zwei Stunden Zeit gewinnen, die sie dringend benötigte. »In Ordnung«, sagte sie. »Ich danke Euch. Bitte legt die Sachen auf meinen Tisch, wenn Ihr fertig seid.«
»Natürlich.« Valenuru deutete eine Verbeugung an und kehrte zu Marmara zurück.
Dadalore war froh, der Situation entkommen zu sein.
Doch die Freude währte nicht lange. Derweil sie zur Capitalobservationskammer zurückkehrte, meinte sie, sich eigentlich glücklich schätzen zu müssen. Immerhin sollte diese Zeugin ihr die knochige Klaue Ghalikans vom Leib halten. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schmolz diese Hoffnung dahin.
Marmara war eine Hure.
Das könnte sich als ein erhebliches Problem erweisen. Wenn die Angelegenheit vor Gericht landete, stünde ihre Aussage gegen die des Obersten Hexenmeisters. Man musste kein Prophet sein, um zu ahnen, wem die Richter Glauben schenken würden. Und der Vorfall lag zehn Jahre zurück. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie noch irgendwelche Beweise finden konnte. Ghalikan aber würde wissen, wie es um seine Chancen stand. Was sollte sie tun, wenn er sich von einer so zweifelhaften Zeugenaussage nicht einschüchtern ließ?
Nein, sie musste sich eingestehen, dass sie im Grunde wieder genau dort stand, wo sie bereits vorgestern Abend gestanden hatte. Sie war einem Schurken hilflos ausgeliefert.
Und zu allem Übel wurde sie nun auch wieder beobachtet.
Wie war das möglich? Valenuru konnte doch keinesfalls bereits das gesamte Protokoll aufgenommen haben.
Dadalore unterdrückte dem
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