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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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Sorge, der Flüchtling locke sie in eine Falle, erwies sich als unbegründet. Sie trafen tatsächlich auf die Brücke. Auf der anderen Seite war es nur noch ein kurzes Wegstück, bis der erste Lichtschacht erreicht war.
    »Du stellst dich hier hin!«, befahl Dadalore. Sie brannte darauf, endlich zu erfahren, warum der Verschleierte vor ihnen geflohen war. In dem senkrecht herabfallenden Licht sah sie nur den blauen Schleier. Der war allerdings nach dem unfreiwilligen Bad des Flüchtenden völlig durchnässt und halb durchsichtig geworden. Aber das war doch ...
    Die Capitalobservatorin zog das blaue Tuch vollständig herunter.
    »Wen haben wir denn da?«
    Über einem Sklavenring wölbte sich ein fleischiger Hals und lief in einem nicht weniger feisten Kopf aus. Tafariward lächelte gequält.
    »Ihr wagt es, Euch mit einer Hure zu treffen? Ihr gehört dem Reich, so etwas steht einem Sklaven nicht an. Ihr solltet Euch schämen!«
    »Ich bitte Euch«, winselte der Beamte, »ich bin auch nur ein Mensch. Ihr wisst doch, wie das ist.«
    »Ich weiß, wie verboten das ist.«
    »Aber ich flehe Euch an! Wenn Ihr mich meldet, verliere ich vielleicht meine Stellung. Ich mache meine Arbeit gut, es wäre ein Verlust für Krone und Reich.«
    »Selbstverständlich werden wir Euch melden«, begehrte Dadalore auf. »Wer weiß, wie lange das schon so geht. Wenn das Eure Reichstreue sein soll, seid Ihr Eures Sklavenringes unwürdig.«
    »Wieso kennt Ihr Euch eigentlich hier unten so gut aus?«, schaltete sich Valenuru ein.
    Tafariward blinzelte. Da die beiden Capitalobservatoren außerhalb des Lichtkreises standen, konnte er sie vermutlich kaum erkennen. »Ich bin doch nicht verrückt. Natürlich kann ich nicht einfach zu meinem Mädchen laufen, wenn mir danach ist. Also habe ich diesen Weg durch die Kanalisation gesucht. Es gibt Eingänge in Selassie und sogar einen im Haus des Blutes. Ihr würdet nicht glauben, wie weit verzweigt dieses Netz ist. Selbst die Ruptu nutzen es gelegentlich. Man gelangt ungesehen unter dem gesamten Stadtzentrum hindurch.«
    »So könnt Ihr uns gewiss auch sagen, wie man von hier auf dem schnellsten Wege zurück zu Marmara kommt?«
    Nach kurzem Zögern antwortete der Sklave: »Wir sind etwas zu weit östlich. Wenn Ihr dem Tunnel eine Weile folgt, nehmt die nächste Abzweigung nach links. Dort geht Ihr zwanzig oder dreißig Schritt hinein. Da muss ein Gitter über Euch sein, das Ihr von unten aufstemmen könnt. Ihr gelangt dort in den Keller eines Nachbarhauses. Die Kellerwand ist halb eingestürzt und nur mit Brettern verschlossen. Wenn Ihr dagegen klopft, wird man Euch einlassen.«
    »Gut. Damit seid Ihr jetzt entlassen.«
    Tafariward glotzte, als habe er kein Wort verstanden. Endlich setzte er sich in Bewegung und lief zurück in Richtung der Brücke. Dadalore hielt den Atem an. »Möchtet Ihr vielleicht auch noch die Tore der Capitalstrafkammer aufreißen? Seid Ihr von Sinnen? Wir haben ihn eines Verbrechens überführt!«
    »Ach«, machte Valenuru. »Wir wissen, wer er ist, und können ihn jederzeit arretieren. Aber für eine Anklage bräuchten wir die Aussage von Marmara und dazu mindestens zwei hübsche, seitenlange Protokolle. Das Letzte, wonach mir der Sinn steht. Außerdem müssen wir uns auf Dringenderes konzentrieren. Ihr könnt ihn ja immer noch in Haft nehmen, wenn Ihr die Achthundertjahrfeier hinter Euch habt.«
    Dadalore wollte zunächst protestieren, bekam aber keinen Ton heraus. Im Grunde hatte er recht. Sie waren ohnehin schon völlig überfordert mit den jüngsten Morden. Und außerdem bereitete Ihr Ghalikan ernsthafte Sorgen. Ein Sklave auf Freiersfüßen würde da noch einen Tag warten können. Einen Tag, bis alles vorbei war.
    Valenuru schien ihr Schweigen als Zustimmung zu werten und drängte zum Aufbruch. Sie folgten der Wegbeschreibung des Sklaven und ließen die kleine Insel aus Helligkeit hinter sich. Im Dunkeln wären sie fast an der angekündigten Abzweigung vorbei gelaufen.
    »Hier muss es sein«, sagte Valenuru.
    Da ertönte das Brüllen. Es war eine Mischung aus dem Gebrüll eines Löwen und dem Kreischen eines Affen. Das Geräusch hallte geisterhaft von den Wänden wieder.
    »Was im Namen Tyrtallas war das?«, flüsterte Dadalore.
    Valenuru schluckte.
    »Ein guter Grund, sich zu beeilen.«
    So schnell sie konnten, liefen sie in den Gang hinein. Das angekündigte Gitter war als helles Rechteck in der Decke auszumachen. Valenuru stieß es mit einem Schlag aus der Verankerung

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