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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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Bewegung. Es hatte jetzt wieder den Anschein, er sei ein langsames und schwerfälliges Geschöpf.
    Dadalore folgte ihm.
     
    Die Felsen lehnten aneinander wie zwei Riesen, die sich im Schlaf gegenseitig stützten. Zwischen ihnen blieb eine dreieckige Aussparung, durch die der Ruptu hindurch schlüpfte. Dadalore hielt sich dicht an ihren Führer, denn in dem stark abschüssigen Tunnel, der folgte, wurde es zunehmend dunkler. Sie folgte der Schwanzspitze, die vor ihr über das Erdreich strich.
    Der Tunnel mündete in eine große Höhle mit zahlreichen Wandnischen und Nebenhöhlen. Aus der Decke ragten knorrige Wurzeln. Ein intensiver Geruch nach frischer Erde füllte den Raum.
    Der junge Ruptu bewegte sich auf eines von mehreren Löchern im Boden zu. Es war offensichtlich nicht natürlichen Ursprungs, denn es hatte genau die Form einer ausgehöhlten Halbkugel. Die Echse schlüpfte hinein und verharrte in einer eigentümlichen Position, bei der sie sich an der Kugelwölbung aufwärts drückte.
    Dadalore setzte sich auf den einzig ebenen Untergrund ganz in der Mitte, obschon sie gerne mehr Abstand zu dem Ruptu eingehalten hätte.
    Sie räusperte sich. »Möchtest du mir jetzt deinen Namen sagen?«
    »Ich bin Sukush.«
    »Sukush und wie weiter?«
    »Ich habe keinen Götternamen, weil unsere Götter verdorben sind.«
    »Ich denke, Ihr glaubt an die vollkommenen Vier?«
    Statt einer Antwort entblößte der Ruptu die messerscharfen Zähne.
    Die Capitalobservatorin lächelte unsicher. »Ich möchte dich gerne etwas über die Verbotenen Künste fragen. Ist das in Ordnung?«
    Sie konnte dem ausdruckslosen Geschöpf nicht einmal entnehmen, ob sie nun eine Grenze zu viel überschritten hatte oder nicht.
    »Ich frage das, weil ich herausfinden möchte, wer drei von deinen Mit-Ruptu ermordet hat. Sie lagen tot in der Küche des Alabasterpalastes. Du hast vielleicht davon gehört?«
    »Von uns ist niemand ermordet worden.«
    »Vielleicht niemand, der euch hier in den Käfigen unterweist. Aber ich nehme an, drüben in Selassie ...«
    »Es ist kein Ruptu ermordet worden.«
    Dadalore biss sich auf die Lippe. »Woher bist du dir da so sicher?«
    »Wir morden einander schon seit sehr langer Zeit nicht mehr. Wenn einer der unseren vor der Zeit geht, ist das eine sehr seltene Ausnahme. Ich wüsste davon.«
    »Aber ich habe die Leichen mit eigenen Augen gesehen. Könnten es reisende Ruptu von auswärts gewesen sein?«
    Sukush rührte sich nicht.
    »Nun, jedenfalls möchte ich diese Morde gerne aufklären. Das Gesetz des Königs verbietet sinnloses Blutvergießen. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob das auch für Ruptu gilt ... aber in jedem Fall war man im Palast nicht sehr erfreut über dieses Ereignis. Wirst du mir dabei helfen?«
    Der Blick der gelben Augen leuchtete im Halbdunkel der Höhle.
    »Ich muss unbedingt wissen, ob in letzter Zeit jemand die Verbotenen Künste wiederentdeckt hat. Gibt es noch Ruptu, die sich auf diese alten Lehren verstehen?«
    Der geschuppte Brustkorb hob und senkte sich. »Menschen haben alle unsere Priester vor langer Zeit erschlagen.«
    Dadalore wusste nicht, ob in diesen Worten ein Vorwurf liegen sollte. Die Stimmen der Ruptu klangen für sie immer gleich: rau und tierhaft. Eine Gemütswallung war ihnen nie zu entnehmen, falls die Echsen solcher Regungen überhaupt fähig waren. Nach reiflicher Überlegung erwiderte sie: »Es war Krieg damals.«
    Eine fleischige rote Zunge fuhr kurz aus Sukushs Maul. Sie war gespalten. »In den Geschichtsbüchern der Menschen tobten die wildesten Schlachten.«
    »Das sind nicht irgendwelche historischen Aufzeichnungen«, begehrte Dadalore auf. »Alles ist verbürgt durch die heiligen Überlieferungen vom Ursprung des Imperiums.«
    »Den menschlichen Kriegern sind Täuschung und Trug Schwert und Speer.«
    Das musste sie sich nicht anhören! Nicht von einem Ruptu. »Eure Religionen lügen vielleicht. Unsere nicht. Tyrtalla ist der Gott der Wahrheit.«
    Der Schwanz der Echse fuhr über den Boden. Ob das ein Ausdruck von Zorn war? »Eines unserer Sprichwörter sagt: Eine Wirklichkeit mit weniger als zwei Wahrheiten ist eine ... Unwirklichkeit. Es gibt keinen Ausdruck in eurer Sprache dafür.«
    »Was soll das heißen?«, brauste Dadalore auf. »Wenn du die großen Echsenkriege in Zweifel ziehst, wohin soll das Reich der Ruptu denn bitte verschwunden sein? Freiwillig werden eure Soldaten wohl kaum gegangen sein.«
    Die Echse schob eine durchsichtige Haut seitlich über ihre

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