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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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eine Geschichte von Aufstieg und Niedergang, von Heldenmut und finsteren Abgründen.
    Eine Weile lang ließ sich die Sklavin von der Musik treiben.
    Als sie den Eindruck hatte, das Stück nähere sich seinem Ende, schüttelte sie die hypnotische Melodie ab. Um den Instrumentenspieler herum waren würfelförmige Steinblöcke aufgestellt, von denen jeder genau eine Glyphe trug. Das Meer der Würfel schien kaum enden zu wollen, tatsächlich waren es genau 666. Dadalore hatte sie als Kind gezählt. Die unüberschaubare Vielzahl der Schriftzeichen bewirkte, dass kaum ein Mensch je die Schriftsprache der Ruptu erlernt hatte. In früheren Zeiten war dies sogar den Ruptu verboten gewesen, weil die Glyphen ihnen als heilig galten und alles, was mit den alten Göttern der Echsen zu tun hatte, aus guten Gründen unter Strafe stand. Aber da die Jahrhunderte verstrichen, ohne dass offenbar eine Gefahr von den Geschuppten ausging, wurden die Gesetze gelockert und schließlich die Erlaubnis erteilt, unter strenger Aufsicht öffentlich Brutpflege zu betreiben.
    Der Ruptu-Mentor hatte sein Spiel beendet. Nun zeichnete er mit dem Schwanzende Glyphen in die Luft. Die Jungechsen schienen mit anderen Zeichen auf dem gleichen Wege zu antworten.
    Dadalore hätte gern gewusst, was diese verschwiegenen Geschöpfe sich eigentlich mitzuteilen hatten, aber das Erlernen der Ruptu-Glyphen war ihr, wie so vielen anderen, zu mühselig.
    Als auch diese Tätigkeit beendet war, zog die große Echse sich zurück und die Jungruptu verschwanden größtenteils in anderen Bereichen des Käfigs.
    Die Capitalobservatorin schlich so nah an die Gitterstäbe heran, wie es möglich war, ohne den Sichtschutz der Sträucher zu verlassen. Sie war nur eine Mannslänge entfernt von einem Schild mit der Aufschrift: Ruptu bitte nicht füttern.
    Ihrer Tasche entnahm sie eine Tonkugel, auf der eine Maus abgebildet war. Das Behältnis zerdepperte, der Lakai wurde freigesetzt. Dadalore atmete tief ein. Mit dem magischen Prickeln wuchsen ihr Wohlgefühl und ihre Fähigkeiten.
    Dadalore trat endgültig aus ihrem Versteck heraus. Sie überquerte mit zwei raschen Schritten den Pfad, vergewisserte sich dabei noch einmal, dass wirklich kein Mensch hier war. Sie drückte sich an zwei Gitterstäbe. Ihr Arm glitt dazwischen. Ihr zu breiter Kopf streckte sich unter dem Druck, wurde schmaler und rutschte ebenfalls hindurch. Den Oberkörper zog sie seitlich nach, er dehnte sich fast bis auf die doppelte Länge, bevor er endlich durch das Gitter passte. Die Beine auch noch hindurch zu bekommen, war wieder vergleichsweise einfach.
    Als sie auf der anderen Seite des Gitters angekommen war, fühlte ihr Leib sich lediglich an, als wäre sie gerade im Badehaus ordentlich durchgeknetet worden. Sie sah zur Seite.
    Ein junger Ruptu stand dort und starrte sie an.
    »Tyrtalla zum Gruße, ich bin Dadalore-Was-soll-das-Dunkle-nachts. Und wer bist du?« Sie hatte keine Ahnung, ob sie einer Jungechse gegenüber den richtigen Ton getroffen hatte. Sie sprach, wie sie zu einem menschlichen Kind sprechen würde, aber der Ruptu vor ihr war fast so groß wie sie.
    Die gelben Augen starrten sie stumm an.
    »Hast du keinen Namen?«
    Schweigen.
    Himmel, wenn die Echse wenigstens blinzeln würde.
    »Möchtest du nicht mit mir sprechen?«
    Endlich öffnete sich das zahnstarrende Maul. »Ich darf nicht mit anderen Menschen als den Treibern sprechen. Du bist nicht angezogen wie ein Treiber und du riechst auch nicht wie ein Treiber.«
    »Deswegen begeben wir uns am besten in eure Schlafhöhle«, sagte Dadalore. Sie machte einen Schritt in deren Richtung, aber der Ruptu rührte sich nicht.
    Das hatte sie befürchtet. »Komm schon, ich tue dir nichts.«
    Die Echse setzte sich nicht im Geringsten in Bewegung. Dadalore seufzte und zog ihren letzten Lakaien aus der Tasche. »Weißt du, was das ist?«
    Da keine Antwort erfolgte, sprach sie weiter: »Das ist ein Lakai. Eine Kugel mit Zauber ...«
    »Ich weiß, was ein Lakai ist.«
    »Ich habe ein paar Fragen an dich. Wenn du mich begleitest, gehört der Lakai dir.«
    Plötzlich zuckte die Klaue des Ruptu mit atemberaubender Geschwindigkeit vor und entriss Dadalore die Kugel. Sie verschwand im Maul des Geschöpfes. Während Dadalore noch versuchte zu erfassen, was gerade geschehen war, ertönte ein knirschendes Geräusch. Der Ruptu spuckte die Tonscherben auf den Weg jenseits der Gitterstäbe. »Eine Hyäne«, sagte er. »Ich mag Hyänen.«
    Darauf setzte er sich in

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