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Der Nachtschwärmer

Der Nachtschwärmer

Titel: Der Nachtschwärmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ebenfalls recht schnell mit der grauen Masse.
    Der Dunst nahm uns schon jetzt einen großen Teil der Sicht. Es sah so aus, als würde er auf breiter Front auf uns zugeschoben und wäre extra wegen uns erschaffen worden.
    Bill ließ sich nicht beirren. In gleichmäßigem Rhythmus stieß er die Ruderstange in das trübe Wasser. Immer wenn das geschah, entstand das leise Platschen, und dann bewegte sich auch der schwerfällige Nachen.
    Die Hinfahrt war schneller abgelaufen. Da hatten wir nicht dieses übergroße Gewicht gehabt.
    Die drei jungen Frauen bewegten sich auch weiterhin nicht. Sie lagen da wie Puppen.
    Lorna Higgins hockte mit angezogenen Beinen am Boden. Mit den Händen umspannte sie die Knie. Die Lippen hielt sie fest zusammengepresst, doch dass sie Angst hatte, war ihr anzusehen. Sie blickte hinter den dicken Gläsern der Brille ins Leere, so jedenfalls wirkte es auf mich, und sie konnte auch das Zittern nicht unterdrücken.
    Lorna tat mir Leid. Ich wollte sie trösten und sagte deshalb: »Bitte, du brauchst keine Angst zu haben, meine Liebe. Wir schaffen es. Wir haben es noch immer geschafft.«
    »Du kennst ihn nicht.«
    »Das stimmt. Aber...«
    »Er ist gnadenlos.«
    »Ich weiß.«
    »Er wird alle...«
    »Nein, nein, das wird er nicht, meine Liebe. Wir sind auch keine Chorknaben und wissen, wen wir da jagen. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    Lorna gab zunächst keine Antwort. Aber sie fröstelte plötzlich, was ihr unangenehm war. Zugleich schüttelte sie den Kopf und schaute in meine Richtung.
    Sie brauchte mich nicht zu fragen, denn ich wusste auch so, was sie gestört hatte. Der Nebel hatte sich unhörbar herangeschlichen und nahm uns gefangen.
    Lorna hob den Kopf. Sie schüttelte ihn und flüsterte: »Jetzt sehe ich gar nichts mehr.«
    »Das ist der Nebel.«
    »Oh Gott...«
    »Wir kommen durch, Lorna, keine Angst. Wir kennen den Weg in die Sicherheit.«
    »Aber der Nebel schluckt alles.«
    »Trotzdem.«
    Ich hatte meiner Stimme einen sehr optimistischen Tonfall gegeben. Er entsprach allerdings nicht meiner eigenen Überzeugung. Der Nebel war doch dichter als ich gedacht hatte. Die Umgebung löste sich allmählich auf. Wir hatten bisher immer Punkte gehabt, die uns zur Orientierung gedient hatten, jetzt waren sie verschwunden. Und so schwammen wir irgendwo im Nirgendwo herum.
    »Halte nur den Kurs, Bill...«
    »Klar. An Land kommen wir immer.«
    »Fragt sich nur, an welcher Stelle.«
    Er enthielt sich einer Antwort. Wahrscheinlich bereiteten ihm die gleichen Gedanken Sorgen wie auch mir.
    Lorna bewegte ihren Kopf so ruckartig, dass es uns auffiel. Bevor wir ihr eine Frage stellen konnten, hatte sie schon das Wort ergriffen. »Er ist schon da. Ich spüre ihn. Ich... ich... merke es. Seine Zeit ist gekommen. Der Nachtschwärmer beherrscht das Land. Oh Gott, was sollen wir denn jetzt tun?«
    »Nichts«, sagte ich. »Nur die Ruhe bewahren. Alles andere ist verkehrt. Wir sehen ihn nicht, aber...«
    »Verlasst euch auf mich!«, flüsterte das Mädchen und verlor auch seine Ruhe. Ein Fehler, denn sie bewegte sich etwas zu hektisch, und der Nachen begann zu schwanken. Wasser platschte über und hinterließ Lachen.
    »Bitte nicht, Lorna!«, warnte ich sie.
    »Ja, schon gut. Entschuldigung.«
    Sie nahm wieder ihre alte Haltung ein. Bill, der die Stange aus dem Wasser gezogen hatte, drückte sie wieder hinein, weil sich das flache Boot beruhigt hatte.
    Mein Kreuz hatte ich griffbereit in der Jackentasche untergebracht. Ich fasste danach und suchte nach einer Erwärmung, aber es hatte mich im Stich gelassen. Es konnte auch sein, dass der Nachtschwärmer noch zu weit entfernt war.
    Wurde der Nebel dichter?
    Ich glaubte es. Lautlos bewegten sich die kühlen Fahnen über unser Boot hinweg. Sie strichen in unsere Gesichter, sie glitten an der Kleidung entlang, und ich spürte sie als Feuchtigkeit auf meinen Lippen. Dass er faulig roch, war wohl ein Irrtum, denn dieser Geruch entstammte einzig und allein dem Wasser.
    Auf dem Hinweg hatten wir keine weitere Insel gesehen. Auch jetzt hielt Bill wohl den Kurs, weil wir gegen kein Hindernis prallten. Aber unser Boot erwischte es. Hin und wieder schlugen im Wasser treibende Gegenstände vor das Holz, und jedes Mal schraken wir leicht zusammen, weil wir auch damit rechneten, dass plötzlich jemand aus dem Sumpf stieg, um unser Boot zu entern.
    Man blieb uns diese Beweise schuldig, und das war auch gut so. Bill ruderte ruhig weiter. Er war wirklich der perfekte

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