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Der Nachtwandler

Der Nachtwandler

Titel: Der Nachtwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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hinterlassen hatte: Klamotten lagen wild verstreut, der Metallstuhl vor dem Sekretär war umgestürzt, die Glasscherben der Deckenleuchte lagen zwischen dem Brecheisen und anderen Werkzeugen aus dem ausgekippten Werkzeugkoffer.
    »Du bist völlig überarbeitet«, brachte Sven stotternd hervor, während er argwöhnisch die Turnschuhe mit den geschmolzenen Sohlen zu seinen Füßen betrachtete. Sie lagen neben einem Paar gebrauchter Latexhandschuhe.
    »Nein«, rief Leon lauter als beabsichtigt. »Es ist schlimmer. Glaub mir.«
    Großer Gott, er darf nicht wieder gehen. Nicht, bevor ich es ihm bewiesen habe.
    Leon hatte vom Schrank abgelassen und war auf die Knie gegangen, um unter das Bett spähen zu können.
    »Was suchst du?«
    »Das Stirnband. Meine Kopfkamera. Ich hab alles gefilmt, während ich unten war.« Leon sah auf und grinste gequält. »Natürlich, Gott, bin ich blöd. Du kannst es dir ja selbst ansehen. Komm.«
    Er sprang auf und ging zum Laptop auf dem Sekretär, der noch hochgefahren, aber in den Energiesparmodus verfallen war.
    »Warte, gleich verstehst du, was ich meine …« Leon drückte mehrfach hintereinander auf die Escape-Taste. Als der Bildschirm sich aufbaute, drehte er sich um – und war allein im Raum.
    »Sven?«
    Nein, bitte nein. Lass ihn nicht auch noch verschwunden sein.
    Er hastete aus dem Schlafzimmer in den Flur zurück, hektisch in alle Richtungen blickend.
    »Sven?«
    Statt einer Antwort hörte er das Parkett knarren, nicht weit von ihm entfernt, im Hausflur.
    »Sven, komm zurück!«, rief er seinem Freund hinterher und eilte zum Ausgang. Er hoffte, ihn am Fahrstuhl abzufangen, und wäre um ein Haar über ihn gestolpert, da er nicht damit gerechnet hatte, dass Sven in gebückter Haltung unmittelbar hinter der Haustür hockte.
    »Hey, pass auf. Sonst machst du es noch kaputt!«
    »Was kaputt?«, fragte Leon atemlos. Statt einer Antwort trat sein Freund beiseite.
    »Simsalabim. Unser verschwundenes Modell«, grinste Sven, wobei ihm die Worte jetzt wieder etwas leichter von den Lippen kamen. Dann hob er das Pappmodell vom Neubau des Krankenhauses hoch und trug es mit beiden Händen an ihm vorbei.
    »Aber, aber, aber, aber …« Jetzt war es Leon, der stotterte. »Aber das kann nicht sein.«
    »Und wieso nicht?«, fragte Sven auf dem Weg zum Arbeitszimmer.
    »Woher hast du das?«
    Sven hatte den Schreibtisch erreicht und plazierte das Modell mittig auf der Arbeitsfläche. »Woher schon? Ich hatte es doch abgeholt.« Sorgenfalten erschienen auf seiner Stirn. »Hast du das etwa vergessen?«
    »Ja«, seufzte Leon.
    Wie so vieles.
    »Ich fürchte, ich muss geschlafen haben, als das geschehen ist.«
    Er fing sich einen spöttischen Blick seines Kumpels ein. »Quatsch. Das ist völlig unmöglich. Ich habe lange mit dir gesprochen.«
    »Das geht auch im bewusstlosen Zustand.«
    »Du verarschst mich?«
    »Nein. Es ist ungewöhnlich, aber gar nicht so selten, dass Schlafwandler sich fast wie normale Menschen benehmen«, erklärte Leon aufgeregt. Während er sprach, überschlugen sich seine Gedanken.
    Wer weiß, wie oft ich einschlafe? Und wenn ich nicht immer die Kamera aufgesetzt habe? Was habe ich noch alles im Schlaf angestellt, was nicht auf den Bändern zu sehen ist?
    »Einige kochen sich Mahlzeiten und wissen am nächsten Morgen nicht mehr, dass sie im Tiefschlaf eine Salamipizza gegessen und danach das Geschirr gespült haben«, fuhr er fort. »Andere führen ganze Unterhaltungen mit ihren Partnern, gehen spazieren, schalten den Fernseher ein oder wollen ihr Auto starten.«
    Und wieder andere betreten im Schlaf eine grausame Zwischenwelt, um ihre Ehefrau zu …
    Leon wollte diesen Gedanken nicht zu Ende denken.
    »Es gibt eine einfachere Lösung, Partner«, sagte Sven und ging aus dem Arbeitszimmer. »Du bist einfach überarbeitet.«
    Leon seufzte. »Nein. Das ist es nicht. Das ist es leider nicht. Du hast keine Ahnung. Du weißt nicht, was hier passiert …, was mit mir passiert, wenn ich schlafe. Ich habe es gefilmt. Bitte, glaub mir. Sieh es dir an.«
    Sven stöhnte auf, und es klang fast schon belustigt. »Einen Film?«
    »Ja.«
    »Du beim Schlafen?«
    »Genau.«
    »Auf deinem Laptop?«
    »Im Schlafzimmer, bitte.«
    Eine Zeitlang sagte keiner der Freunde ein Wort, bis Sven mit den Augen rollte wie ein Vater, der seinem Sohn eine unvernünftige Bitte nicht abschlagen kann.
    »Also schön. Aber zuvor muss ich kurz mal dein Bad benutzen.«
    »Was?«
    »Pinkeln. Aufs Klo. Ich muss

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