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Der Nachtwandler

Der Nachtwandler

Titel: Der Nachtwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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hauptsächlich Mauern, Steine und Stufen gezeigt, also den Weg, den Leon aus dem Schacht, von der Tür mit dem ACHTUNG-Schild ausgehend, in seine Wohnung zurückgelegt hatte, kaum dass er eingeschlafen war.
Die Violine ist der Schlüssel!
    Leon hatte damit gerechnet, sich selbst dabei zu beobachten, wie er das Tastenfeld bediente und die Geheimtür öffnete.
    Stattdessen habe ich etwas viel Schlimmeres getan.
    Er hatte der Geheimtür am Kopfende der Sackgasse gar keine Aufmerksamkeit geschenkt, war ohne Umwege zurück nach oben in seine Wohnung geklettert, hatte den Schrank wieder vor die Öffnung in der Wand geschoben und war, immer noch schlafwandelnd, mit seltsam hölzern anmutenden Bewegungen ohne Umwege ins Bad gehumpelt.
    Zu diesem Zeitpunkt war die Wanne noch nicht wie jetzt mit blutigem Wasser gefüllt gewesen, Alba lag noch nicht tot auf den Fliesen, und bis auf die Trümmerstücke des herausgeschlagenen Spiegels am Boden hatte es keinerlei Anzeichen des bevorstehenden Chaos gegeben, das Leon in wenigen Minuten hier verursachen würde.
    Im Augenblick stand Leon exakt an der Stelle, an der er auf dem Video angehalten und zur Decke gestarrt hatte.
    Tatsächlich.
    Direkt über der Toilette war eine Abdeckplatte verrutscht, die er bislang für eine Verschalung des Wartungssystems der Wassertherme gehalten hatte.
    Nicht der erste Irrtum seit meinem Einzug.
    Er stieg auf den Toilettendeckel, auf dem seine Stiefel vorhin bereits ihre Abdrücke hinterlassen hatten, und stemmte die Abdeckung über dem Kopf nach innen. In der Eile hatte er die Taschenlampe im Schlafzimmer liegenlassen, aber das Badezimmerlicht reichte aus, um das erste Drittel des kaminartigen Schachts und die nach oben führenden Klettersprossen zu beleuchten.
    Alles war genau so, wie er es zuvor auf dem Video gesehen hatte, mit nur einem Unterschied: Das Klavierspiel war verstummt. Hatte er auf der Tonspur leise, aber unverkennbar Tareskis Fingerübungen gehört, drang jetzt nichts als Stille aus dem neu entdeckten Ausgang.
    Keine Todleitern, dachte er, ohne den Freudschen Fehler zu bemerken, als er nach der ersten Sprosse über sich griff.
    Er war müde und kraftlos, kein Wunder, denn anscheinend hatte er die letzten Stunden alles andere als geschlafen. Das kalte, kantige Gefühl beim Zupacken löste keine Erinnerungen aus, auch nicht der staubige Geruch nach Schimmel, der ihm beim Aufstieg entgegenschlug, aber das wäre auch höchst ungewöhnlich gewesen.
    Wie die meisten Schlafwandler konnte sich Leon an seine nachtaktiven Erlebnisse nicht erinnern. Daher wunderte er sich auch nicht darüber, weshalb ihm der enge Schacht, der über seinem Kopf immer dunkler wurde, so fremd erschien.
    Schnell. Beeilung. Nur keine Zeit verlieren, trieb er sich in Gedanken an.
    Auf halbem Wege, kurz bevor das von unten aufsteigende Licht nicht mehr ausreichte und die gemauerten Wände neben ihm in der Dunkelheit zu verschwinden drohten, berührten die Finger seiner rechten Hand völlig unerwartet einen Stofffetzen.
    Leon tastete nach seinem Knie und fand den korrespondierenden Riss. Bislang war ihm entgangen, dass er im Schlaf mit dem rechten Bein an einer scharfen Kante der Trittleiter hängen geblieben sein musste. Aber ruinierte Kleidung war sein geringstes Problem angesichts der Tatsache, dass es im Moment um Leben und Tod ging.
    Mein Gott, was habe ich nur getan?
    Anders als bei Ivana Helsing führte der Schacht nicht in ein Badezimmer, sondern in eine kleine Kammer. Im Augenblick lag der fensterlose Raum, in den Leon durch eine bereits geöffnete Bodenplatte kroch, in vollkommener Finsternis, so dass er kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Von der Aufnahme wusste er, dass der Raum einen quadratischen Grundriss hatte und vollkommen leer war.
    Blind tastete er auf allen vieren kriechend den Holzboden ab, bis er die Kopfkamera fand. Er hatte sie offenbar auf dem Rückweg verloren.
    Leon aktivierte den Scheinwerfer der Kamera und beleuchtete damit den Weg zur Tür.
    Er wusste, dass er nach rechts gehen musste. Und er wusste, dass er keinen Grund hatte, leise zu sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde Tareski nicht einmal mehr von einer Explosion in seiner Wohnung geweckt werden können.
    Leon hängte sich das Stirnband der Kopfkamera um den Hals und rannte den Flur hinunter, wo er die Tür zum Salon aufriss.
    »Nein!«, schrie er bei dem Anblick, der sich ihm offenbarte.
    Auf der Aufzeichnung hatte es unwirklich ausgesehen; nicht so grausam, eher wie eine

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