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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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das wahr?«, fragt Bailey. Er wäre nie auf die Idee gekommen, Poppet und Widget danach zu fragen, denn er dachte, die Uhr sei etwas unmittelbar aus dem Zirkus Geborenes. Elizabeth nickt.
    »Er hat auch geschrieben«, sagt Victor. »So haben wir ihn vor vielen Jahren kennengelernt. Wir haben einen seiner Artikel über den Zirkus gelesen und ihm einen Brief geschrieben, den er beantwortet hat und so fort. Das war noch, bevor man uns rêveurs nannte.«
    »Mir hat er eine Uhr gemacht, die aussieht wie ein Karussell«, sagt Lorena mit wehmütigem Blick. »Mit kleinen Tieren, die sich durch Wolken und silberne Zahnrädchen schlängeln. Ein wunderschönes Stück, ich wünschte, ich könnte es immer bei mir tragen. Aber natürlich ist es auch schön, wenn man zu Hause eine Erinnerung an den Zirkus hat.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass er eine heimliche Affäre mit der Zauberkünstlerin hatte«, bemerkt Elizabeth und lächelt über ihrem Wein.
    »Klatsch und Unsinn«, sagt Victor verächtlich.
    »Aus seinen Artikeln sprach immer viel Liebe zu ihr«, sagt Lorena, als überdenke sie die Möglichkeit.
    »Wie könnte sie jemand nicht lieben?«, fragt Victor, worauf Lorena ihn interessiert mustert. »Sie ist äußerst begabt«, murmelt er, und Bailey sieht, dass Elizabeth ein Lachen unterdrückt.
    »Und ohne diesen Herrn Thiessen ist der Zirkus nicht mehr, wie er war?«, fragt Bailey und überlegt, ob das etwas mit Poppets Bemerkung zu tun hat.
    »Ohne ihn ist er für uns natürlich anders«, sagt Lorena. Sie hält nachdenklich inne, ehe sie fortfährt. »Wobei der Zirkus sich auch ein bisschen verändert hat. Nicht im Einzelnen, nur etwas …«
    »Etwas aus der Spur«, wirft Victor ein. »Wie eine Uhr, deren Pendel nicht richtig schwingt.«
    »Wann ist er gestorben?«, fragt Bailey. Er bringt es nicht über sich, nach der Todesursache zu fragen.
    »Heute Abend vor einem Jahr, um genau zu sein«, sagt Victor.
    »Oh, das war mir nicht bewusst«, erwidert Lorena.
    »Auf Herrn Thiessen«, sagt Victor laut genug, dass der ganze Tisch es hört, und hält sein Glas hoch. Überall werden Gläser erhoben, und Bailey schließt sich den anderen an.
    Während des Nachtischs werden weiter Geschichten von Herrn Thiessen erzählt, unterbrochen nur von einer Diskussion darüber, warum man diesen Kuchen eigentlich Tarte nennt, wenn es doch ganz offensichtlich ein Kuchen ist. Victor, der nichts zu diesem Thema beitragen möchte, entschuldigt sich nach dem Kaffee.
    Als er an den Tisch zurückkehrt, hält er ein Telegramm in der Hand.
    »Meine Freunde, wir fahren nach New York.«

Sackgasse
    MONTREAL, AUGUST 1902
    N achdem die Zauberkünstlerin sich verbeugt hat und vor den Augen des begeisterten Publikums verschwunden ist, geht der Beifall ins Leere. Die Zuschauer erheben sich von ihren Plätzen, und manche plaudern mit ihren Freunden, voll Bewunderung über diesen oder jenen Trick, während sie nacheinander zur Tür hinausgehen, die nunmehr wieder in der gestreiften Zeltwand erschienen ist.
    Ein Mann erhebt sich nicht von seinem Platz im inneren Stuhlkreis. Seine Augen, die im Schatten seiner Hutkrempe nahezu verborgen sind, blicken konzentriert auf die Stelle in der Kreismitte, wo noch vor wenigen Minuten die Zauberkünstlerin stand.
    Der Rest des Publikums geht.
    Der Mann bleibt weiterhin sitzen.
    Nach einer Weile verblasst die Tür in der Zeltwand wieder und ist nicht mehr sichtbar.
    Der Mann würdigt sie keines Blickes, starrt unverwandt auf die Stelle.
    Wenig später sitzt Celia Bowen vor ihm. Sie trägt noch immer das Kostüm, das sie während der Vorstellung anhatte, ein schwarzes, mit zarter weißer Spitze bedecktes Kleid.
    »Normalerweise sitzt du hinten«, sagt sie.
    »Ich wollte dich besser sehen können«, erwidert Marco.
    »Du hast einen weiten Weg auf dich genommen.«
    »Ich musste mir freinehmen.«
    Celia betrachtet ihre Hände.
    »Du hast nicht damit gerechnet, dass ich von so weit her komme«, sagt Marco.
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Es ist schwer, sich zu verstecken, wenn man mit einem ganzen Zirkus reist.«
    »Ich habe mich nicht versteckt.«
    »Doch«, sagt Marco. »Ich wollte bei Herrn Thiessens Beerdigung mit dir reden, aber du bist gegangen, bevor ich dich finden konnte, und dann hast du den Zirkus nach Übersee verfrachtet. Du hast mich sehr wohl gemieden.«
    »Es war nicht mit voller Absicht«, sagt Celia. »Ich musste eine Zeitlang nachdenken. Danke übrigens für den Tränenteich.«
    »Ich wollte, dass du einen

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