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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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Hokuspokus«, sagt Hector und schwebt auf die andere Schreibtischseite, um besser sehen zu können. »Typisch Alexander, viel zu kompliziert und geheimnisvoll.«
    »Aber wenn man sich gründlich genug damit befasst, könnte es jeder. Ein ziemlicher Gegensatz zu deinen Predigten früher, dass ich etwas Besonderes bin.«
    »Du bist etwas Besonderes. Du hast solche« – er wedelt mit seiner durchscheinenden Hand über den Bücherstapel – »solche Gerätschaften und Konstrukte nicht nötig. Mit deinem Talent könntest du so viel mehr erreichen. So viel mehr erforschen.«
    »›Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio‹«, zitiert Celia.
    »Bitte, kein Shakespeare.«
    »Ich werde vom Geist meines Vaters verfolgt, dann darf ich wohl Hamlet zitieren, so lange es mir gefällt. Früher mochtest du Shakespeare recht gern, Prospero.«
    »Du bist zu intelligent für ein solches Verhalten. Ich habe mehr von dir erwartet.«
    »Entschuldige, dass ich deine absurden Erwartungen nicht erfülle, Papa. Kannst du nicht jemand anderen belästigen?«
    »In diesem Zustand kann ich mich nur mit sehr wenigen Leuten unterhalten. Alexander ist schrecklich langweilig, wie immer. Chandresh war ziemlich interessant, aber der Knabe hat sein Gedächtnis so oft verändert, dass ich ebenso gut Selbstgespräche führen könnte. Aber vielleicht wäre es zur Abwechslung mal ganz nett.«
    »Du redest mit Chandresh?«, fragt Celia.
    »Manchmal«, sagt Hector und betrachtet die Uhr, die sich im Käfig dreht.
    »Du hast Chandresh gesagt, dass Alexander an dem Abend im Zirkus ist. Du hast ihn dorthin geschickt.«
    »Ich habe einem Betrunkenen einen Vorschlag gemacht. Betrunkene sind sehr empfänglich für Vorschläge. Und unterhalten sich gern mit Toten.«
    »Du wusstest genau, dass er Alexander nichts anhaben kann«, sagt Celia. Seine Argumentation folgt keiner Logik, aber das ist bei ihrem Vater nichts Neues.
    »Ich dachte mir, der alte Mann könnte zur Abwechslung ein Messer im Rücken vertragen. Sein Schüler brannte ja geradezu darauf, es selber zu tun, und zwar so sehr, dass Chandresh den Plan bereits im Kopf hatte: All die Wut, der er so lange ausgesetzt war, hat sich in sein Unterbewusstsein eingeschlichen. Ich musste ihn nur noch in die richtige Richtung schubsen.«
    »Hattest du nicht gesagt, es gäbe eine Regel in Bezug auf Einmischung?«, fragt Celia und legt ihren Stift ab.
    »Einmischung bei dir und deinem Gegenspieler«, stellt ihr Vater klar. »Bei anderen darf ich mich einmischen, sooft ich will.«
    »Deine Einmischung hat Friedrick umgebracht!«
    »Es gibt noch mehr Uhrmacher auf der Welt«, sagt Hector. »Du könntest dir einen neuen suchen, wenn du weitere Zeitmesser brauchst.«
    Mit zitternden Händen nimmt Celia ein Buch vom Shakespeare-Stapel und wirft es nach ihm. Wie es euch gefällt durchdringt widerstandslos seine Brust, trifft auf die dahinter liegende Zeltwand und fällt zu Boden. Der Rabe sträubt erneut seine Federn und krächzt.
    Die Käfige mit den Tauben und der Uhr beginnen zu beben. Das Glas über der gerahmten Fotografie zersplittert.
    »Verschwinde, Papa«, stößt Celia durch ihre geschlossenen Zähne hervor, um Fassung ringend.
    »Du kannst mich nicht ständig wegschieben«, sagt er.
    Celia wendet ihre Aufmerksamkeit den Kerzen auf dem Schreibtisch zu und konzentriert sich auf eine einzige tanzende Flamme.
    »Glaubst du etwa, du könntest mit diesen Leuten persönliche Beziehungen aufbauen?«, fährt Hector fort. »Glaubst du etwa, du bedeutest ihnen etwas? Irgendwann sterben sie alle. Du lässt deine Macht von deinen Gefühlen untergraben.«
    »Du bist ein Feigling«, erwidert Celia. »Ihr seid beide Feiglinge. Ihr kämpft durch Stellvertreter, weil ihr zu feige seid, um euch direkt herauszufordern. Ihr habt Angst, dass ihr versagt und niemandem die Schuld dafür in die Schuhe schieben könnt.«
    »Das stimmt nicht«, protestiert Hector.
    »Ich hasse dich«, sagt Celia, die noch immer in die Flamme starrt.
    Der Schatten ihres Vaters schaudert und verschwindet.
    *
    An den Fenstern in Marcos Wohnung sind keine Eisblumen, deshalb schreibt er mit seinen tintengeschwärzten Fingern eine Abfolge von Symbolen in der Form des Buchstaben A auf die Scheiben. Die Tinte läuft wie Regen über das Glas nach unten.
    Er sitzt da, starrt auf die Tür und dreht den Ring unruhig um den Finger, bis es früh am nächsten Morgen endlich klopft.
    Der Mann im grauen Anzug schimpft nicht,

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