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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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über ihm empor und überschneiden sich in unregelmäßigen Mustern. Es ist ein Labyrinth, das nach oben und unten sowie von einer Seite zur anderen führt.
    »Bis später«, sagt Widget, hüpft auf eine Ebene und erklimmt dann die nächsthöhere.
    »Widge geht immer gleich ganz nach oben«, sagt Poppet. »Er weiß, wie man am schnellsten dorthin kommt.«
    Bailey und Poppet wählen eine gemächlichere Route. Sie suchen sich beliebige Ebenen aus, klettern an weißen Netzen hoch und zwängen sich vorsichtig durch schmale Stellen. Bailey weiß nicht, wo die Ebenen enden oder wie hoch sie geklettert sind, aber er stellt erleichtert fest, dass Poppet viel gelöster ist als im Sterngucker, denn sie hilft ihm lachend bei den etwas schwierigeren Passagen.
    »Und wie kommen wir wieder runter?«, fragt Bailey schließlich. Ihm ist schleierhaft, wie sie jemals den Rückweg finden sollen.
    »Am einfachsten wäre es, wenn wir springen«, sagt Poppet. Sie zieht ihn um eine versteckte Biegung, und sie stehen am Rand der Ebene.
    Sie sind viel höher, als Bailey vermutet hatte, aber noch lange nicht oben.
    »Schon gut«, sagt Poppet. »Es kann nichts passieren.«
    »Unmöglich«, erwidert Bailey und späht über die Kante.
    »Nichts ist unmöglich.« Poppet lächelt ihm zu und springt. Ihr rotes Haar fliegt im Fallen hinter ihr her.
    Unten verschwindet sie in dem Meer aus weißen Kugeln. Als sie wieder auftaucht – ein roter Haarschopf vor weißem Untergrund – winkt sie ihm zu.
    Bailey zögert nur kurz, und er widersteht dem Drang, beim Springen die Augen zu schließen. Stattdessen taumelt er lachend durch die Luft.
    Seine Landung unten im Kugelbecken ist tatsächlich so weich und leicht und angenehm, als falle er in eine Wolke.
    Als er herausklettert, warten Poppet und Widget schon auf dem Pfad. Poppet sitzt am Rand und lässt die Beine über die Kante baumeln.
    »Wir sollten langsam zurückgehen«, sagt Widget und zieht eine Uhr aus der Tasche. »Wir müssen noch die Kätzchen auf die nächste Vorstellung einstimmen, und es ist schon fast Mitternacht.«
    »Wirklich?«, fragt Bailey. »Ich hatte keine Ahnung, dass es schon so spät ist, ich müsste längst zu Hause sein.«
    »Wir bringen dich noch zum Tor, ja?«, sagt Poppet. »Ich möchte dir etwas mitgeben.«
    Zu dritt gehen sie die gewundenen Wege entlang und überqueren den Platz in Richtung Tor. Vor dem Tunnel nimmt Poppet Bailey an die Hand, zieht ihn durch den Vorhang und führt ihn mühelos um die dunklen Kurven auf die andere Seite. Auf der Wiese jenseits des Tors tummeln sich um diese späte Stunde nur noch wenige Besucher.
    »Warte hier«, sagt Poppet. »Ich bin gleich wieder da.« Sie rennt in Richtung Kassenhäuschen, während Bailey sieht, wie der Uhrzeiger sich der Zwölf nähert. Kurz darauf ist Poppet mit etwas Silbrigem in der Hand zurück.
    »Oh, sehr gute Idee, Pet«, sagt Widget. Bailey schaut verwirrt von einem zum anderen. Es ist ein silberfarbenes Stück Papier, ungefähr so groß wie seine Eintrittskarte. Poppet reicht es ihm.
    »Das ist ein besonderer Ausweis«, erklärt sie. »Für wichtige Gäste, damit du nicht jedes Mal zahlen musst, wenn du in den Zirkus kommst. Wenn du ihn an der Kasse zeigst, lassen sie dich rein.«
    Mit großen Augen begutachtet Bailey den silberfarbenen Ausweis.
    Diese Karte berechtigt den Inhaber zu kostenlosem Eintritt
    ist in schwarzer Tinte auf eine Seite gedruckt, und auf der anderen steht:
    Le Cirque des Rêves
    und darunter in kleinen Buchstaben:
    Chandresh Christophe Lefèvre, Eigentümer
    Bailey starrt immer noch wie vor den Kopf geschlagen auf die glänzende silbrige Karte.
    »Ich dachte, du freust dich«, sagt Poppet, leicht verärgert angesichts seines Schweigens. »Das heißt, falls du überhaupt noch mal kommen willst, solange wir hier sind.«
    »Das ist großartig«, sagt Bailey und blickt von der Karte auf. »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen«, sagt Poppet lächelnd. »Außerdem habe ich ihnen gesagt, sie sollen mir und Widget Bescheid geben, wenn du kommst. Dann können wir dich hier abholen. Wenn dir das recht ist.«
    »Das wäre toll«, sagt Bailey. »Wirklich, vielen Dank.«
    »Dann sehen wir uns bald wieder«, sagt Widget und hält ihm die Hand hin.
    »Ganz bestimmt«, antwortet Bailey und nimmt sie. »Morgen Abend komme ich wieder.«
    »Das wäre schön«, sagt Poppet. Als Bailey Widgets Hand loslässt, beugt sie sich vor und küsst ihn schnell auf die Wange. Bailey spürt, wie er rot anläuft. »Ich

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