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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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Zirkusmitstreiter anwesend. Lainie Burgess kommt in einem fließenden kanariengelben Kleid, begleitet von Mr Ethan Barris im dunkelblauen Anzug – so ziemlich das Äußerste an Farbe, wozu er sich aufraffen kann –, wenngleich er heute sogar noch eine mittelblaue Krawatte trägt und in seinem Revers eine gelbe Rose steckt.
    Mr A. H— erscheint wie gewohnt in Grau.
    Mme. Padva, die von Chandresh erst zum Kommen gedrängt werden musste, strahlt in einem Kleid aus Goldseide mit zart durchbrochener roter Stickerei und trägt purpurne Federn in ihrem weißen Haar. Sie verbringt fast den ganzen Abend in einem Sessel am Kamin und beobachtet das Geschehen um sie herum, statt unmittelbar daran teilzunehmen.
    Herr Friedrick Thiessen ist auf besondere Einladung da und unter der Bedingung, dass er nicht ein einziges Wort über die Zusammenkunft veröffentlicht oder sie jemandem gegenüber erwähnt. Er verspricht das gern und erscheint vorwiegend rot gekleidet mit einem Tupfer Schwarz, eine Umkehrung seiner gewohnten Aufmachung.
    Er verbringt den Großteil des Abends in der Gesellschaft von Celia Bowen, deren raffiniertes Kleid ständig die Farbe wechselt und passend zu dem, der jeweils neben ihr steht, die ganze Palette des Regenbogens durchläuft.
    Außer den Musikern sind keine anderen Künstler anwesend, denn es ist nicht einfach, eine Gesellschaft zu unterhalten, die vorwiegend aus Zirkusmitgliedern besteht. Man trifft sich, man plaudert – so vergeht ein Großteil des Abends.
    Beim Dinner, das um Punkt Mitternacht beginnt, ist jeder Gang in Schwarzweiß gehalten, doch sobald das Essen von einer Gabel oder einem Löffel zerteilt wird, strotzt es vor Farbe und verströmt die unglaublichsten Aromen. Manche Gerichte werden nicht auf Tellern, sondern auf kleinen Spiegeln serviert.
    Poppet und Widget stecken den orangefarbenen Kätzchen zu ihren Füßen heimlich kleine Happen zu, während sie aufmerksam Mme. Padvas Ballettgeschichten lauschen. Als ihre Mutter mahnt, dass der Inhalt besagter Geschichten für zwei gerade mal Dreizehnjährige nicht unbedingt geeignet sei, fährt Mme. Padva unbeeindruckt fort und überspringt nur die schlüpfrigsten Einzelheiten, wie Widget unschwer aus dem Funkeln ihrer Augen ablesen kann.
    Zum Nachtisch gibt es eine gewaltige Schichttorte in Form von Zirkuszelten mit gestreifter Glasur, die Füllung besteht aus einer knalligen Himbeercreme. Außerdem gibt es kleine Schokoladenleoparden und Erdbeeren mit schwarzer und weißer Kuvertüre in verschlungenen Mustern.
    Als der Nachtisch abgeräumt ist, hält Chandresh eine langatmige Rede. Er dankt allen Gästen für dreizehn phantastische Jahre, für den wunderbaren Zirkus, der vor gut einem Jahrzehnt nicht mehr als eine Idee gewesen war. Dann verbreitet er sich eine Weile über Träume und Familie und das Streben nach Einzigartigkeit in einer gleichförmigen Welt. Manches ist tiefgründig, hin und wieder schweift er ab und redet Unsinn, doch fast alle Anwesenden sehen in seiner Rede eine nette Geste. Hinterher nutzen viele die Gelegenheit und danken ihm persönlich für die Feier und den Zirkus. Einige fühlen sich bemüßigt, seine Äußerungen zu kommentieren.
    Außer natürlich seine Bemerkung darüber, dass bis auf die Murray-Zwillinge niemand zu altern scheint, worauf ein peinliches Schweigen folgte, das nur durch Mr Barris’ Husten unterbrochen wurde. Keiner wagt dies zu erwähnen, und die meisten wirken erleichtert, dass Chandresh selbst sich eine Stunde später kaum noch an seine Rede erinnert.
    Nach dem Essen wird zum Tanz gebeten. Die Wände und Fenster im Ballsaal sind mit farbenfrohen, goldverzierten Bahnen aus Seide verkleidet, die im Kerzenlicht schimmern.
    Mr A. H— hält sich unauffällig am Rand und spricht mit nur wenigen Gästen, darunter Mr Barris, der ihm Herrn Thiessen vorstellt. Die drei Männer führen eine kurze, aber fesselnde Unterhaltung über Uhren und das Wesen der Zeit, bis Mr A. H— sich höflich entschuldigt und wieder mit dem Hintergrund verschmilzt.
    Er meidet den Ballsaal und tanzt nur einmal einen Walzer, zu dem Tsukiko ihn zwingt. Sie trägt ein rosafarbenes Kleid im Kimonostil, hat die Haare zu einem raffinierten Knoten hochgesteckt und die Augen in einem auffallenden Rot umrandet.
    Die Anmut der beiden Tanzenden verschlägt allen anderen Paaren den Atem.
    Isobel, in klares Himmelblau gekleidet, versucht vergeblich, Marcos Aufmerksamkeit zu erregen. Er geht ihr ständig aus dem Weg und ist nur schwer

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