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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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in der Menge zu erkennen, da er wie der Rest des Personals gekleidet ist. Nach mehreren Gläsern Champagner kann Tsukiko sie schließlich dazu überreden, ihre Bemühungen aufzugeben, und zieht sie zur Ablenkung hinaus in den tiefer liegenden Garten.
    Marcos Aufmerksamkeit gehört einzig und allein Celia, wenn er nicht gerade von Chandresh herumkommandiert wird oder bei Mme. Padva ist, die ihm eins mit dem Stock versetzt, wenn er sie zum x-ten Mal fragt, ob sie seine Hilfe brauche.
    »Ich bin am Boden zerstört, dass ich nicht mit dir tanzen kann«, flüstert Marco ihr zu, als sie im Ballsaal an ihm vorbeigeht und das Dunkelgrün seines Anzugs sich wie Moos auf ihrem Kleid ausbreitet.
    »Dann bist du zu leicht zerstörbar«, murmelt Celia leise und zwinkert ihm zu; im selben Moment kommt Chandresh herbei und bietet ihr seinen Arm, worauf ihr Kleid von Moosgrün zu einem tiefen Pflaumenblau mit glitzerndem Gold wechselt.
    Chandresh, der sich nicht entsinnen kann, ob die beiden sich schon kennen, stellt Celia Mr A. H— vor. Celia behauptet, sie kennten sich nicht, obwohl sie sich an den Herrn erinnert, der ihr jetzt höflich die Hand gibt und genauso aussieht wie damals, als sie sechs war. Nur sein Anzug ist anders und der aktuellen Mode angepasst.
    Mehrere Leute bedrängen Celia, sie möge etwas vorführen. Anfangs weigert sie sich, aber später am Abend gibt sie nach. Sie zieht die verwirrte Tsukiko in die Mitte der Tanzfläche und lässt sie trotz der Menge um sie herum von einem Augenblick zum anderen verschwinden. Eben noch standen da zwei Frauen in rosaroten Kleidern, und im nächsten Moment ist Celia allein.
    Sekunden später dringen Schreie aus der Bibliothek, wo Tsukiko in dem Sarkophag wieder auftaucht, der mit Laternen geschmückt in einer Ecke steht. Tsukiko nimmt einem verdutzten Kellner ein Glas Champagner ab, schenkt ihm ein gütiges Lächeln und kehrt in den Ballsaal zurück.
    Im Vorbeigehen sieht sie Poppet, die den orangefarbenen Kätzchen gerade beibringt, auf ihre Schulter zu klettern, während Widget ein Buch nach dem anderen aus den Regalen der gutbestückten Bibliothek holt. Irgendwann schleppt Poppet ihn gewaltsam aus dem Zimmer, damit er nicht die ganze Party lesend verbringt.
    Die Gäste schlendern in bunten Grüppchen aus dem Ballsaal durch die Gänge und die Bibliothek, ein regenbogenfarbener Reigen, untermalt von Lachen und Geplauder. Die Stimmung bleibt bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen und fröhlich.
    Als Celia allein durch die Vorhalle geht, packt Marco sie an der Hand und zieht sie in eine dunkle Nische hinter der hohen goldenen Statue. Der plötzliche Luftzug lässt die Rosenblätter wild durcheinanderwirbeln.
    »Das bin ich noch nicht so recht gewohnt«, sagt Celia. Sie löst ihre Hand aus seiner, ohne zurückzuweichen, allerdings ist auch nicht viel Platz zwischen Wand und Statue. Ihr Kleid nimmt abermals ein sattes, tiefes Grün an.
    »Du siehst genauso aus wie damals, als ich dir zum ersten Mal begegnet bin«, sagt Marco.
    »Trägst du diese Farbe absichtlich?«, fragt Celia.
    »Nur ein glücklicher Zufall. Chandresh wollte das gesamte Personal in Grün sehen. Und ich konnte nicht ahnen, wie raffiniert dein Kleid sein würde.«
    Celia zuckt die Schultern. »Ich wusste nicht, was ich anziehen soll.«
    »Du bist schön«, sagt Marco.
    »Danke«, erwidert Celia, ohne ihn anzusehen. »Du bist zu attraktiv. Dein richtiges Gesicht ist mir lieber.«
    Sein Gesicht wird zu dem, an das sie sich in allen Einzelheiten erinnert – von dem Abend, den sie vor drei Jahren in denselben Räumen unter sehr viel intimeren Umständen verbracht haben. Seitdem gab es kaum noch Gelegenheit für mehr als viel zu kurze gestohlene Augenblicke.
    »Ist das nicht ein bisschen zu riskant in dieser Gesellschaft?«, fragt Celia.
    »Ich tu das nur für dich«, sagt Marco. »Die anderen sehen mich so wie immer.«
    Sie betrachten einander stumm. Hinter der Statue gehen ein paar Gäste durch die Eingangshalle. Ihr lautes Gelächter erfüllt den Raum, aber sie sind weit genug entfernt, dass sie unentdeckt bleiben und Celias Kleid seine moosgrüne Farbe behält.
    Marco streicht Celia eine Strähne hinters Ohr, dann fährt er ihr mit den Fingerspitzen über die Wange. Celias Lider zucken ein wenig, als sie sich schließen, und die Rosenblätter zu ihren Füßen beginnen sich zu rühren.
    »Du hast mir gefehlt«, flüstert er leise.
    Es knistert zwischen ihnen, als er sich vorbeugt und seine Lippen sanft

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