Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
jetzt nachzusehen. Hastig blickte er sich um. Weit und breit war niemand zu sehen, er hatte einen Vorsprung, weil er gerannt war, und im Haus waren alle Lichter aus. Flink kletterte Peter das Gerüst hinauf. Er wusste genau, wo Sarahs Zimmer lag, denn er hatte ihr an jenem Abend nachgesehen, bis sie im Haus verschwunden war. Und seine Vermutung wurde zur bitteren Gewissheit: das Fenster war zwar angelehnt, aber offen. Ein Gefühl ohnmächtiger Wut mischte sich unter seine rasende Eifersucht. Er wusste noch nicht, was er als nächstes tun würde, als er Stimmen vernahm. Leise noch, aber deutlich. In einiger Entfernung näherten sich Sarah und Heinz. Peter hörte, wie Sarah kicherte. Dieses Kichern, das sie auch ihm ins Ohr gekichert hatte, als sie sich von ihm verabschiedet hatte. Peter presste sich so dicht es ging mit dem Rücken an die Hausfassade. Hart spürte er die kalte Mauer in seinem Kreuz. Er sah Sarah an Heinz’ Seite hinter das Haus schlüpfen. Jetzt kam er hier wahrscheinlich nicht mehr ungesehen weg, also verharrte er erst einmal reglos in seiner Position und beobachtete die Szene. Eine leidenschaftliche Kusslänge musste er noch aushalten, dann erkannte er, wie Sarah sich von Heinz löste. Heinz war nicht - wie er - Kavalier. Er wartete nicht ab, bis seine Liebste das Gerüst hinaufgeklettert und unversehrt in ihrem Zimmer angekommen war. Nein, Heinz drehte sich plump um und ging, ohne Sarah nachzusehen.
Peter hielt den Atem an. Er lauschte jedem von Sarahs Tritten, als sie die erste Leiter des Gerüstes erklomm. Dann befand sie sich auf der Ebene unter ihm auf dem Weg zur nächsten Leiter, er hörte ihre Schritte und spürte unter sich die Erschütterungen des klapprigen Gerüstes, obwohl sie sich bemühte, leise aufzutreten. Als sie durch die letzte Klappe schlüpfte, trat er aus dem Dunkel auf sie zu. Erschrocken hielt sie einen Augenblick inne. Als sie ihn dann erkannte, fragte sie: „Du? Was willst du hier?“
„Eine Erklärung.“ Sein Innerstes war extrem angespannt. Er versuchte, seinen hastigen Atem zu unterdrücken, indem er tief durchatmete.
„Eine Erklärung? Wofür?“, spuckte sie ihm entgegen. Die Kühle ließ ihn den Atem vor ihrem Mund sehen.
„Für das, was du vorhin getan hast.“
„Was gibt es denn da zu erklären? Vor ein paar Tagen brauchtest du dafür auch keine Erklärung, oder?“
„Warum tust du so etwas?“ Er zitterte, zwang sich, ruhig zu bleiben.
„Warum tust du es denn? Aus Spaß, oder?“
„Spaß nennst du das?“
„Hattest du etwa keinen Spaß?“ Sie lachte auf und warf dabei den Kopf in den Nacken. „Das habe ich anders empfunden. Und jetzt mach mal leise. Ich will nicht, dass meine Eltern uns hören!“
Das war zu viel. Peter trat auf sie zu und griff nach ihren Oberarmen. Um ihm zu entgehen, wich sie einen Schritt zurück und kam dabei beachtlich ins Wanken. Doch bevor sie das Gleichgewicht verlor, hatte Peter sie gepackt und hielt sie fest. Dann schüttelte er sie grob. „Spaßig nennst du das, was du mit mir machst, ja?“
„Was ich mit dir mache?“
„Was war denn das vorhin? Mit dem dicken Heinz? Hä?“ Er trat einen weiteren Schritt auf sie zu, so dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Du sagst es. Ich habe es mit Heinz gemacht. Nicht mit dir. Scheinst ja ein Problem damit zu haben!“ Sie versuchte energisch, sich loszumachen, dabei kam das ganze Gerüst bedenklich ins Schwanken. Und zum ersten Mal erkannte er so etwas wie ein kurzes Aufflackern von Angst in ihren Augen. Doch dann fauchte sie noch: „Ich wüsste nicht, dass ich mich allein dir verpflichtet hätte!“, dabei hatte sie die Hände vor dem Gesicht zu Fäusten geballt. Unmöglich für sie, sich aus seinem harten Griff zu befreien. „Du tust mir weh!“, zischte sie dann.
Peter kochte. Er war seinem Ziel so nahe gewesen, und nun das! Gleichzeitig spürte er Verachtung in sich aufkeimen. Verachtung für ihre Hochnäsigkeit, mit der sie ihn hier bloß stellte. Verachtung für diesen Verrat an seinen Gefühlen. Ohne darüber nachzudenken, stieß er sie mit einem groben Ruck von sich. Ein einziger Schritt rückwärts, bei dem ihr Fuß nicht mehr auf den Brettern aufsetzte, brachte sie aus dem Gleichgewicht, und sie fiel. Kurz noch fand ihre linke Hand Halt an einem der Stegbretter, doch die Geschwindigkeit und das Gewicht ihres fallenden Körpers gaben der Erdanziehung schließlich nach. Sarah stürzte schreiend in die Tiefe. Innerhalb von Sekunden war alles
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