Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
Vom Netzwerk:
Schlurfen durch den Schnee, der ihm über die Knie reichte und in Klumpen an der Hose klebte. Mehrmals blieb er stehen, um sich den Grimm und den Schnee von Brust und Schultern zu klopfen. Als er die kleine Brücke nach Långholmen erreichte, stand Esbjörn Fors bereits da, unter der einzigen Laterne weit und breit. Deshalb war er in der Finsternis gut zu sehen. Während der Hund mit der Schnauze über den Boden jagte, starrte Fors mit zurückgelegtem Kopf in die Krone eines Baumes. Die Hundeleine baumelte in seiner Hand.
    »Esbjörn Fors?«, erkundigte sich Kjell, eher zur Begrüßung als aus Unklarheit, denn außer dem Nachbarn, der ganz vernarrt ins Schneeschaufeln zu sein schien, war ihm seit der Wohnungstür niemand begegnet.
    Fors nickte, ohne den Blick von der Baumkrone zu lösen. Er
legte den Zeigefinger an die Lippen, bevor er ihn hinauf zum schwarzen Geäst richtete. Sekunden verstrichen. Dann begann dort oben ein Vogel zu zwitschern.
    »Der ist wohl nicht ganz bei Trost«, fand Kjell.
    »In jedem Fall ein Irrer«, flüsterte Fors und drehte endlich den Kopf in Kjells Richtung. »Aber einer, der die Hoffnung nicht aufgibt. Die arme Frau.«
    »Danke, dass du zurück nach Stockholm gekommen bist«, sagte Kjell beim Händeschütteln.
    »Ich wäre besser gar nicht losgefahren«, erwiderte Fors ohne jede Reue in der Stimme. Er roch einige Meter weit nach Seife und hatte millimeterkurze Haare. Der Hund war ein Widerspruch zu Kjells erstem Eindruck. Er war nämlich so gut wie überhaupt nicht erzogen und ignorierte jeden Befehl, den Fors ihm gab.
    Kjells Kollege Henning Larsson hatte diese Stelle nicht zufällig mit Fors als Treffpunkt vereinbart. Fors und sein Hund betraten Långholmen stets über die Pålsund-Brücke.
    Was jenseits der Brücke geschah, entschied einzig und allein der Hund, gestand Fors, nachdem sie aufgebrochen waren. Kjell bat darum, dieselbe Route abzulaufen wie gestern. Dazu mussten sie den jungen Spaniel gemeinsam wie ein Kaninchen einfangen und anleinen. Der Hund sprang an seinem Herrchen hoch. Er wollte noch einmal freigelassen und dann wieder eingefangen werden.
    »Fidel hat auch Qualitäten«, sagte Fors. »Heute Morgen hat er meinen Wagen gefunden. Sonst würde ich jetzt noch mit dem Besen einen Schneehaufen nach dem anderen ausprobieren.«
    »Fidel?«
    Fors nickte. »Weil er stundenlang bellen kann.«
    »Warum bist du gestern am Mittag und zwei Stunden später noch einmal hierher?«

    »Wir gehen immer zur Mittagszeit, vom Schnee war jedoch noch nichts zu sehen gewesen. Als er dann kam, habe ich beschlossen, lieber früher zu meiner Schwester aufzubrechen. Aber vorher musste Fidel eine große Runde laufen, damit er es am Abend bei meiner Schwester nicht zu weit treibt.«
    Bis zum Freilichttheater hielt Kjell den Mann für einen prinzipientreuen Frühaufsteher, vor allem wegen seines Geruchs nach Seife, doch bis zum Bellman-Häuschen oberhalb des Strandbades erfuhr er, dass Esbjörn Fors von 1962 bis zum Frühling an der Grundschule von Högalid unterrichtet hatte. Zuerst die Erstklässler, später die höheren Klassen. Den Tagesablauf eines Lehrers hatte er auch im Ruhestand nicht aus dem Blut bekommen und sich deshalb den Hund angeschafft. Für Kjell war das die Erklärung. Er hatte sich nämlich seit dem gestrigen Abend gefragt, wer auf die Idee kam, sich für einen Menschen aus hundert Metern Entfernung verantwortlich zu fühlen und die Polizei zu alarmieren. Dazu war nur ein Lehrer imstande.
    »Ich frage mich die ganze Zeit, ob die arme Frau vielleicht eine ehemalige Schülerin von mir war.«
    »Da kann ich dich beruhigen. Sie ist außerhalb der Stadt aufgewachsen und erst nach der Schule hierhergezogen.«
    »Da unten«, sagte Fors.
    Neben dem Weg fiel die verschneite Wiese sanft ab bis zum Wasser. Selbst an der Stelle, wo die Techniker den Schnee bis zum Rasen abgetragen hatten, war nichts mehr von den Ereignissen am Abend zuvor zu sehen. Dafür hatte der Schneefall gesorgt, der weiter anhielt.
    Fors war etwa zur selben Zeit wie jetzt zum ersten Mal hier eingetroffen. Und wie jetzt war der Hund den Hang hinabgejagt. »Wenn es wärmer ist, schwimmt er eine Runde. Gestern ist er nur durch das flache Wasser gejagt, genau wie jetzt.«
    Fidel stürmte durch das Wasser, den ganzen Strand entlang,
und galoppierte am anderen Ende der Wiese wieder den Hang hinauf. Über den oberen Weg, wo gestern die Fahrzeuge gestanden hatten, kehrte er zu ihnen zurück und wedelte mit dem Schwanz. Diese

Weitere Kostenlose Bücher