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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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vorherigen, aber das Datum wich ab.
    »Sie hat die Prüfung zweimal gemacht«, murmelte Henning.
    Zuletzt im Herbst. Das Schreiben als offizieller Bescheid über das Ergebnis war dann am 12. November angekommen. Davor hatte sie die Prüfung im Frühling gemacht. Dieses Schreiben stammte vom 28. Mai.

    Henning blätterte weiter.
    Ein weiteres Schreiben vom Hochschulamt, das inzwischen das Design seines Briefpapiers gewechselt hatte.
    »Achtmal!«, resümierte Snæfríður, als Henning beim letzten Schreiben ankam. »Sie hat es achtmal versucht!«
    »Allerdings jedes Mal besser als davor, das muss man auch sehen!«
    Snæfríður fehlten die Worte. »Jedoch immer schlecht. Bei ihrer ersten Prüfung erhielt sie 0,3, bei der letzten 0,7.«
    Da hatte sie recht. Um sich auf diese Art bis zur Bestnote 2,0 vorzuarbeiten, hätte Elin Gustafsson noch an sehr vielen Prüfungen teilnehmen müssen.
    »Das Schulabgangszeugnis ist auch so«, sagte Henning. »Sie ist nicht überall schlecht, in DTK und NOG hat sie ganz gut abgeschnitten, aber die Lese- und Wortverständnisaufgaben wiegen so schwer, dass ihr Gesamtschnitt weit unter dem Mittelmaß liegt.«
    »Was ist DTK?«
    »Diagramm, Tabellen und Karten. NOG ist logisches Denken bei mathematischen Problemen.«
    »Bei uns in Island heißt das Rechnen. Kann aber keiner.«
    »Vielleicht hatte sie Prüfungsangst. Sofi fährt nachher mit der Betreuerin vom psychosozialen Dienst zu den Eltern. Lass uns abwarten, was die sagen.«
    »Ist das ein Motiv?«, fragte Snæfríður und deutete auf den Ordner.
    Henning konnte nur mit den Schultern zucken. Anscheinend war Elin Gustafsson von ihrem Wunsch, ein Studium zu beginnen, nicht leicht abzubringen gewesen, wenn sie achtmal zur Prüfung antrat. Er schaltete wieder die Musik ein.
    Wir haben alles zu gewinnen. Nur ich und du, wir beide gehen auf Entdeckungsfahrt durch unsere eigene Welt.
    Henning stellte sich ans Fenster. Ein Kleinwagen fuhr einsam
auf der breiten Fahrbahn und schlingerte auf dem schneebedeckten Grund.
    Snæfríður war auf dem Sofa sitzen geblieben und blickte erwartungsvoll auf ihren Kollegen.
    Auch wenn es draußen stürmt und schneit, siegt die Liebe über alles!
    Das Lied verstummte.
    Henning steckte die Hände in die Taschen und schmatzte. »Gefällt mir nicht.«
    »Welchen Eindruck hast du?«, fragte Snæfríður in die Stille.
    »Das mit dem Lied gefällt mir nicht.«

7
    Als sich im sechsten Stock des Polizeigebäudes die Türen des Aufzugs öffneten, stand dort die neue Reichspolizeichefin Lis Viklund. Ihre cremefarbene Sporthose deutete Kjell als Hinweis, dass auch sie nicht damit gerechnet hatte, heute Morgen hier einer Menschenseele zu begegnen.
    »Was machst du hier?«, fragte sie. »Ist dein Urlaub schon zu Ende?«
    »Ich habe einen Fehler gemacht.«
    Kjell hatte keine Gelegenheit, diese Aussage durch eine Fortsetzung abzumildern. Da die Lichtschranke keinerlei Personenverkehr registrierte, schloss sich die Tür wieder. Erst durch eifriges Knöpfedrücken zu beiden Seiten der Tür öffnete sich der Vorhang für den zweiten Akt.
    »Einen Fehler?«
    »Ich habe der Reichsmord durch eine Unterschrift eine neue Sache eingehandelt. Da kann ich die anderen an den Feiertagen nicht damit alleinlassen.«
    Lis Viklund hatte ihr Amt erst vor einigen Wochen angetreten.
Als erste Chefin der Reichskriminalpolizei war sie nicht aus der juristischen Fakultät eingeschwebt, sondern hatte sich von der Norrmalm-Wache bis hierher in den sechsten Stock der Reichskrim hochgearbeitet. Und nun wollte sie mit dem Aufzug wieder hinab.
    »Wohin fährst du?«, fragte er und deutete auf die Reisetasche in ihrer Hand.
    »Ich habe mir ein Häuschen ohne Strom gemietet, mitten im Nirgendwo, um einmal im Jahr für ein paar Tage nicht erreichbar zu sein.«
    Sie war nur zwei Jahre älter als er, aber zwischen Augen und Mund zeugten zahlreiche Aufopferungs- und Erleichterungsfalten von ihrem langen Weg. Zehn Jahre hatte sie als Chefin der Stockholmer Bezirkspolizei durchgehalten. Das war nach der Kantinenchefin der härteste Posten bei der schwedischen Polizei.
    Kjell fürchtete sich ein wenig vor ihr wie vor einer strengen Tante. Ihrem Vorgänger Sten Haglund trauerte er allerdings nicht hinterher. Fünf Jahre lang hatte der immer dieselben Fragen gestellt, wie ein Zahnarzt bei der Halbjahreskontrolle, und sich in Krisensituationen so entschlossen verhalten wie eine geballte Schlagersängerfaust. Das war am Ende sein Spitzname gewesen.
    »Wenn du

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