Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Zehntausende von Mitgliedern betreuen. Die zahllosen großen und kleinen Liga-Häuser an vielen Orten unterstehen
der jeweiligen Liga-Zentrale und bieten eine Reihe spiritueller Aktivitäten für Atmas und Interessenten an – Vorträge, Diskussionsforen, Seminare,
Schulungen, Sondertrainings, Programme für Kinder, Jugendliche, Senioren sowie Spezialprogramme für soziale Randgruppen und vieles mehr.“
Aron wusste, dass er seine Zuhörer langweilte, obwohl ihm die Anwesenden mit höflichem Ernst zuhörten. Er dachte an den weiten, sichelförmigen Strand
hinter dem Banketthaus. Der Wunsch packte ihn, die Bühne zu verlassen und diesen Strand entlangzuwandern, fort vom Missionszentrum, zurück zu dem Dorf, in
dem er Bens Vater begegnet war. Wie unbedeutend diese Dinge für das Leben der Menschen hier waren. Man musste ein verbohrter Fanatiker sein, um das nicht
zu bemerken. Was galt diesen Menschen ein Lirep, ein Bezirkszentrumsleiter, ein Missionsleiter, ein Kursleiter, ein Akademiereferent und wie all die
Stellen innerhalb der Liga-Hierarchie noch heißen mochten? Aron erkannte für einen Augenblick, wie unwichtig diese Positionen waren, nach denen sich die
Atmas eifersüchtig drängten. Ein kompliziertes System von Prüfungen, Bewertungen, Einweihungen, Belobigungen, Privilegien war mit diesen Posten verbunden,
dessen ungeschriebene Regeln manchen Atmas wichtiger geworden waren als das spirituelle Ziel der Erleuchtung. Aron musste all seine Kräfte zusammennehmen,
um weiterzusprechen.
„Sie sehen, die Organisation der Liga ist wie ein Baum mit einem Stamm, Ästen und immer feiner werdenden Zweigen,“ sagte er, mechanisch, lustlos, sich
mühsam beherrschend, sich zwingend. „Wo auch immer sich eine Handvoll Menschen zusammenfindet, um die Worte des Mahaguru zu studieren oder eine Schulung
zur Selbstbefreiung zu absolvieren – sie sind eingebunden in das Netz der Organisation, sind angeschlossen an die Macht des Hju, gleich, ob sie sich in
einer Großstadt in den Vereinigten Staaten befinden oder irgendwo auf einer Insel in Indonesien.“ Aron sagte Passagen aus dem
Buch der Erleuchtung
auswendig her, weil ihm keine eigenen Worte mehr einfielen. Während er automatenhaft redete, arbeiteten seine Gedanken, produzierten Bilder und ein Mosaik
von Assoziationen. „Jedes einzelne Mitglied der Liga ist eingebunden in das alles umspannende Netz der Organisation.“ Ja, ein Netz, aus dem es kein
Entkommen mehr gibt, flog es Aron durch den Kopf, während er sprach. Das Hauptquartier weiß zu jeder Zeit, wo sich ein Atma befindet. Umziehende Mitglieder
melden sich bei einem Liga-Bezirk ab, beim anderen wieder an. Jeder Lirep weiß auf Knopfdruck alles über jedes Liga-Mitglied in seinem Territorium. Alle
unterwerfen sich freiwillig, kein Atma wird gezwungen. Doch wer sich diesem System nicht fügt, wird für höhere Einweihungen nicht mehr berücksichtigt, tut
kund, dass er dem Mahaguru nicht vertraut, verliert den Mittelpunkt seines Lebens. Alle Daten flossen im Hauptquartier zusammen. Morgen würde man bereits
wissen, dass Aron heute in Bali öffentlich aufgetreten war, in seiner Akte würde sich eine Zahl verändern, die Zahl seiner gehaltenen Vorträge. Nichts
blieb verborgen im Kommunikationssystem der Liga. „Jedes Mitglied der Liga muss deshalb wissen, dass es Teil einer mächtigen Organisation ist, in deren
Mitte der Mahaguru steht. Über die fein verzweigten Kanäle der Organisation ist jedes Mitglied auch im Äußeren direkt mit dem Meister verbunden. Und eben
das ist der Zweck der Organisation. Sie ist das perfekte Instrument des Hju.“
Aron spürte, wie hölzern das klang, hohl und nutzlos. „Doch dies ist nur der allgemeine Aufbau der Organisation. Wichtig für jeden einzelnen Atma ist vor
allem das Emporsteigen in den zwölf Kreisen der Einweihung, die seinen Weg in der Liga kennzeichnen. Vom äußersten Kreis, der alle Menschen umfasst, die an
der heiligen Lehre der Liga interessiert sind, über die Stufen des Wissens und Dienens bis hinauf zum inneren Kreis und zum höchstmöglichen
Bewusstseinszustand des Universums, dem Zustand des Mahaguru, durchläuft jeder Atma eine genau vorgezeichnete Linie spiritueller Entfaltung, die zu jedem
Zeitpunkt vom Mahaguru selbst gefördert und überprüft wird. Jede Einweihung ist Ausdruck eines bestimmten Grades der Erleuchtung, der hart erarbeitet und
zugleich durch die Gnade des Mahaguru gewährt wird. Ein ausgeklügeltes System von
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