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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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betretenes Schweigen, bevor die zunehmend nervöse Jane erneut mit ihren Geschichten über die Wahl Gordons durch die neun höchsten Adepten
    begann, über seine Ausbildung durch Jason und Avatar Yortam und all den anderen Fantastereien, die später auch in den Liga-Publikationen verbreitet wurden.
    Allen war klar, was gespielt wurde. Gordon Blake war Janes Geliebter. Ob sie sich mit ihm tröstete, weil Jason sie betrogen hatte oder ob es sie, die um
    fast dreißig Jahre jünger als Jason war, einfach nach einer Romanze gelüstete, wurde nie klar, war auch bedeutungslos. Gordon Blake war noch nicht lange
    Mitglied der Liga. Er lebte in Kansas und war einer von denen, die sich ganz den Ideen der Liga öffneten und ihr Leben kompromisslos in den Dienst des Hju
    stellten. In der offiziellen Biografie wurde sein Dasein als geheimnisdurchtränkte Hinführung zur Liga, als Vorbereitung auf seine Aufgabe als Mahaguru
    geschildert, gespickt mit Wundern, Visionen von uralten Adepten und Rückschauen auf Inkarnationen, in denen er unter bedeutenden Mahagurus der
    Vergangenheit studiert hatte. „Viele Leben lang wurde er von den Mahagurus der jeweiligen Epoche auf seine kommende Aufgabe vorbereitet, die Lehre des Hju
    weltumspannend zu etablieren,“ heißt es im Anhang zum
Buch der Erleuchtung
. In Wirklichkeit war Gordon Blake eine gescheiterte Existenz, hatte
    sein Studium abgebrochen, sich als Hilfsbuchhalter durchgeschlagen, als Autoverkäufer und Versicherungsvertreter. Sein rascher Aufstieg in der Liga war
    darauf zurückzuführen, dass der Mittlere Westen die Region der USA war, die in den Pionierjahren am wenigsten von der Organisation berührt wurde. Zwar gab
    es Zentren in einigen Städten, doch die Mitgliedschaft wuchs langsamer als anderswo und in der Führerschaft taten sich nur wenige durch auffallenden
    Ehrgeiz hervor. Gordon Blake war einer davon, was ihn schneller als üblich die unteren Kreise der Einweihungen durchlaufen ließ. Er sah, wie viele andere
    Atmas auch, in der Liga die Möglichkeit, die eigene Mittelmäßigkeit durch den Aufstieg in der Hierarchie der Einweihungen zu kompensieren und widmete sich
    diesem Ziel mit ganzer Hingabe. Aber Gordon hatte es nicht einmal zum Lirep gebracht, als er vor unseren Kreis trat.
    Jane tat alles, um ihn uns schmackhaft zu machen. Für die Witwe Jasons war der Mahaguru Gordon die einzige Chance, im Zentrum der Macht zu verbleiben, für
    Gordon war Janes Einfluss im inneren Kreis der einzige Weg, jemals Mahaguru zu werden – eine jämmerliche Konstellation. Ich vermag mir nicht auszumalen,
    was geschehen wäre, hätten wir Janes Vorschlag abgelehnt und einen anderen zum Mahaguru gemacht, John vielleicht, oder einen bekannten Liga-Pionier, der
    das Ansehen der Atmas genoss. Aber es ist müßig, darüber zu spekulieren, denn wir ließen Jane ihren Willen, weil es die bequemste Lösung war. John sträubte
    sich als einziger. Vielleicht hatte er sich tatsächlich Hoffnungen gemacht, selbst zum Mahaguru aufzusteigen, vielleicht war er verbittert über den jähen
    Zusammenbruch seiner Illusionen über die spirituelle Wahrhaftigkeit der Liga, der sich vor seinen Augen vollzog. Erst der erbärmliche Tod Jasons und nun
    diese Posse mit Jane und ihrem Geliebten. John erhob sich und verließ kopfschüttelnd den Raum. Als Jane erregt aufsprang, drehte er sich an der Türe um und
    winkte resigniert ab: „Keine Angst Jane, von mir erfährt niemand etwas. Ich war Howards Freund.“
    Ted und mir war es im Grunde gleichgültig, wie der neue Mahaguru hieß, solange er seinen Job zufriedenstellend erledigte. Einer, der sich leicht lenken
    ließ, war angenehmer als ein glühender selbstüberzeugter Fanatiker aus dem Kreis der Liga-Pioniere. Auch Rob schien diese Meinung zu teilen. In diesem
    Augenblick wurde mir deutlich, was uns der Mahaguru wirklich bedeutete – er musste seine Rolle gut spielen, um die Bedürfnisse der Atmas zu erfüllen und
    das Liga-Geschäft florieren zu lassen. Jane hatte Gordon offenbar eingehend über die Machtverhältnisse in der Liga unterrichtet, denn er näherte sich uns
    mit größtem Respekt, fast mit Unterwürfigkeit. Noch hatte ihn die Schattenmacht nicht erfasst, obwohl ich heute glaube, dass sie Gordon Blake ebenso für
    ihre Zwecke ausgewählt hatte wie Jason, dass alles Teil eines minutiös geplanten Spieles war, in dem alle Figuren längst an den ihnen zugedachten Plätzen
    standen.
    Unser Einverständnis mit der Wahl Blakes zum Mahaguru

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