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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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würdig befunden. Vor allen Adepten, die jemals auf diesem Planeten die Erleuchtung des Hju empfangen hatten, überreichte nun Avatar Yortam
    das Szepter des Hju an diesen Mann, so wie ich jetzt diese Rose an den reiche, in dem sich das höchste Bewusstsein des Planeten verkörpert.“
    Mit huldvollem Lächeln nahm sie die langstielige Rose, die in einer Vase auf der Bühne stand, verharrte wirkungsvolle Augenblicke in kontemplativer
    Versenkung, als suche sie noch einmal Bestätigung für ihre Visionen und reichte die Blume an Gordon Blake, der im gleichen Moment federnden Schrittes auf
    der Bühne erschien. Er sah blendend aus in seinem legeren Designeranzug, wirkte wie ein Filmstar, der zur Oscarverleihung aus der Kulisse tritt. Die
    Liga-Führer, die dem Ereignis beiwohnen durften, verharrten atemlos auf ihren Plätzen und starrten den neuen Mahaguru an, den viele von ihnen nie zuvor
    gesehen hatten. Wir hatten Pläne vorbereitet für den Fall, dass es zu Widerstand gegen Gordons Wahl gekommen wäre, aber unsere Befürchtung erwies sich als
    grundlos. Nach einigen Sekunden elektrisierter Spannung erhoben sich die Atmas von ihren Stühlen und begannen zu applaudieren. Janes Geschichte hatte sie
    überzeugt. Noch malte sich Erstaunen auf manchen Gesichtern, aber die Generalprobe war geglückt.
    Nun musste Gordon zeigen, was er in den vergangenen Wochen gelernt hatte. Ted und Rob hatten sich in intensiven Sitzungen seiner angenommen, hatten ihn in
    die geschäftlichen Geheimnisse der Liga eingeweiht, ihn mit wichtigen Führungskräften der Organisation vertraut gemacht, ihn eingeweiht in seine Aufgaben
    als oberster Repräsentant der Liga. Crashkurse in Rhetorik, Menschenführung, Persönlichkeitsentwicklung hatten ihn abgeschliffen und begonnen, seinen
    Charme, sein Charisma, das die Atmas später überwältigen sollte, aus einem Mantel von Verlegenheit und Unsicherheit herauszuschälen. Gordon war ein
    Naturtalent. Er sog all diese Dinge auf wie ein Schwamm. Zugleich beflügelte ihn die neue Macht, die Erkenntnis, dass er, Gordon Blake, geschafft hatte,
    wovon alle Atmas träumten – den Schritt in die höchste spirituelle Meisterschaft. Schon wenige Tage nach dem Seminar war es für ihn undenkbar, dass es
    hätte anders kommen können. Er glaubte völlig selbstverständlich an die Geschichten über seine Ernennung durch den Rat der neun Adepten. Seine geheimsten
    Wünsche waren Wirklichkeit geworden. Allein aus diesem Grund konnte es keinen Zweifel an seiner Berufung geben. Und bestätigten nicht all diese anderen
    hochstehenden Wesen, die Lireps und Liga-Pioniere und Atmas durch ihre Hingabe, ihren Glauben und ihre Visionen eben diese Auserwähltheit? Ted und ich
    beobachteten seine Entwicklung mit schweigendem Verblüffen. Wir haben in diesen Jahren in der Liga mehr gelernt über die Mechanismen von Verblendung,
    Größenwahn und Selbstbetrug, als jedes Studium der Psychologie uns hätte vermitteln können. Etwas schwieriger war es, Gordon das Rauchen abzugewöhnen. Wir
    konnten unmöglich einen Mahaguru mit Zigarette präsentieren, nachdem Jason – ein fanatischer Nichtraucher – im
Buch der Erleuchtung
seitenlange
    Tiraden gegen die Körper, Aura und Geist zerstörenden Wirkungen des Tabakqualms geschrieben hatte. Gordon fügte sich willig, wie er sich auch in alles
    andere fügte, was wir ihm in diesen vier Wochen vor dem Seminar eintrichterten.
    Als Gordon Blake zu den Liga-Pionieren sprach, war kaum mehr etwas zu spüren von seiner peinlich berührten Unsicherheit, die er bei seinem ersten
    Erscheinen vor dem inneren Kreis an den Tag gelegt hatte. Natürlich war er nervös, sein Wesen war noch von natürlicher Schüchternheit durchdrungen, doch
    das machte ihn den Atmas nur sympathischer und liebenswerter. Nach seinem Vortrag begrüßte Gordon jeden einzelnen der Anwesenden persönlich, sprach ein
    paar Worte, nannte Namen, die er sich vorher gemerkt hatte und gewann die Menschen mit allürenloser Verbindlichkeit. Als die Liga-Pioniere den Saal
    verließen, waren sie mit Herz und Seele eingeschworen auf den neuen Mahaguru.
    Auch Gordons Auftritt vor dem Seminarpublikum am nächsten Tag verlief reibungslos. Die privilegierten Pioniere, die bereits um seine Wahl wussten, waren
    auf das Gesetz des Schweigens verpflichtet worden. Jane wiederholte die Zeremonie der Rosenübergabe. Die Atmas waren hingerissen. Gordon wurde nach einer
    Schrecksekunde, in der jeder versuchte, Namen und Gesicht einzuordnen, mit

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