Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Erinnerungen, die sich in einem Sturm heftiger Gefühle äußerten, die vergessen machten, wer er war und wo er sich befand. Alles war
gleichzeitig in diesem Moment – die endlosen Spannen der Zeit, Vergangenheit und Gegenwart, schmolzen zu einem Augenblick und brannten sich wie ein vom
Brennglas gebündelter Sonnenstrahl in sein Herz. Er spürte die Hand des Mahaguru auf seinem Scheitel, spürte, wie glühende Energie von seinem Kopf in alle
Glieder fuhr, hörte die leise Stimme des Nokam.
„Ja. Xerck, dein Lehrer und Meister, den du feige betrogen hast, der dich brennen ließ im Feuer des Be’el. Er hat dich wieder angenommen und fordert erneut
deinen Dienst. Bist du bereit?“
Aron nickte.
„Du wirst die Große Einweihung erhalten, Aron. Das ist der Zweck deines Daseins, die Erfüllung deines Weges durch Tausende Leben, die endgültige Sühne für
dein Versagen.“
„Ich werde mein Leben geben für die Nokam,“ hörte Aron sich sagen.
„Es ist nicht nötig, dein Leben zu geben. Selbst das meine, das schon verloren war, wurde von den Nokam gerettet. Im Gegenteil, du wirst Unsterblichkeit
erlangen durch den Geist der Nokam, der nicht berührt ist von Tod und Vergänglichkeit. Die Zeit deiner Prüfung beginnt. Du wirst hinausgehen, um das
Tagebuch dieses Verräters für den Mahaguru zu gewinnen. Alle Zweifel werden sich auflösen durch diesen Dienst am Hju. Dann wirst du würdig sein, deinen
Geist mit einem der Uralten zu vermählen und ein wahres Werkzeug des Hju zu werden. Neun Nokam werden der Welt die Gnade erweisen, in diesen Zeiten
drohender Vernichtung zu erscheinen. Du wirst eines der neun Werkzeuge sein, die von den Nokam auserwählt und in vielen Leben vorbereitet wurden. Der große
Fürst der Nokam, den die Atmas Avatar Yortam nennen, der Herr der Flammendämonen, der in Atlan mit Xerck und Zont das innerste Heiligtum des Be’el hütete,
hat dich erwählt, Wohnung seines erleuchteten Geistes zu sein. Doch sieh dich vor! Wenn du erneut versagst, wird dein Sturz in die Höllen der Vernichtung
ewig und unwiderruflich sein. Jetzt aber geh!“
Die Hand des Mahaguru löste sich von Arons Scheitel. Mit einem Mal spürte er wieder die Gegenwart, die erstickende Hitze des Raumes, das Halbdunkel, die
Stille, in die sich von Ferne leises Surren mischte. Er wurde sich bewusst, dass er vor dem Mahaguru kniete, wischte verlegen die nassen Wangen, erhob sich
ungelenk, wagte nicht mehr, den Mahaguru anzusehen, schlich schweigend aus dem Raum.
Das mürrische Gesicht des Ethik-Hüters, der vorwurfsvoll auf die Uhr blickte, erwartete ihn.
Kapitel 19
Das gelbe Buch IX
Ted überließ bei der Vorbereitung des Hauptseminars nichts dem Zufall, kümmerte sich persönlich um scheinbar unbedeutende Details. Er bezog Panetta
intensiv in die Planung ein, um ihm jeden Grund für einen Verdacht zu nehmen. Panetta war wie immer kooperativ, engagiert, von undurchschaubarer
Freundlichkeit, bemüht, Ted und mir zu gefallen. Ted übermittelte Panetta den Wunsch des Mahaguru, er möge auf diesem Seminar nicht nur den üblichen
Bericht des Liga-Präsidenten vortragen, sondern auch eine spirituelle Rede halten. Ted gab ihm zu verstehen, dass die Zeit gekommen sei, an die Nachfolge
Andersens zu denken: „Dieses Seminar wird das letzte unter Mahaguru Ken Andersen sein. Er selbst hat das vor Kurzem angedeutet. Seine Aufgabe ist erfüllt.
Du wirst bereits im kommenden Jahr zunehmend in spirituellen Funktionen erscheinen. Beim nächsten Seminar schließlich wird er dich den Atmas als neuen
Mahaguru präsentieren.“
Panetta nickte schweigend. Wie konnten wir ihn nur so schmählich unterschätzen? Wir waren so besessen von unserem Vorhaben, dass es uns nicht einfiel, den
Figuren in diesem Spiel eigenen Willen zuzugestehen.
Andersen war nervös. „Wie werden die Atmas es aufnehmen?“, fragte er Ted und mich immer wieder. Wir beruhigten ihn, wiederholten geduldig unsere Argumente,
sprachen von Wahrheit, Ehrlichkeit, echter Spiritualität, einer geläuterten, von den reinen Idealen des Hju erfüllten Liga. Andersen nickte, lächelte,
fragte einige Tage später wieder. Wir hielten ihn vom Hauptquartier fern. Er bereitete sich in der Stille seines bestens bewachten Hauses auf das Seminar
vor, schrieb, meditierte, fastete. Die fanatische Glut in ihm entfachte sich allmählich zum lodernden Brand. Andersen steigerte sich in hysterische
Visionen von der Zukunft der „neuen Liga“, die mit diesem Seminar
Weitere Kostenlose Bücher