Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
erstmals eine Satelliten-Direktschaltung nach Europa zustande bringen.
Die Atmas kommen zu einem Seminar in London zusammen und erleben Kens Vorträge auf einer Großleinwand mit. Kostet ein Vermögen, aber das ist es wert. So
werden die Liga-Gelder wenigstens für eine gute Sache verpulvert. Außerdem übertragen wir live in eine Seminarhalle nach Baltimore und in den Astrodome von
Houston.“
„Hält Ken dicht?“
„Er schweigt wie ein Grab. Ich habe ihn schonungslos über Panetta aufgeklärt. Er war entsetzt zu hören, dass Panetta auf die Macht des Mahaguru lauert. Das
hat ihm zwar eine Phobie mehr beschert – er hat jetzt auch Angst vor Panetta und den EHs – andererseits aber hat es seinen Entschluss, reinen Tisch zu
machen, nur gestärkt. Das Entlassungsschreiben für Panetta liegt bereits fertig unterzeichnet bei meinen Unterlagen. Wir werden es ihm sofort nach Kens
Vortrag in die Hand drücken. Darauf freue ich mich ganz besonders. Die Atmas werden noch auf dem Seminar von seiner Entmachtung unterrichtet. Auch die
Vollmacht, dass du und ich die geschäftliche Leitung der Organisation bis zu ihrer Auflösung übernehmen werden, liegt mir vor. Wir haben uns nicht
getäuscht in Ken. Kein anderer hätte den Mut zu einer solch radikalen Aktion.“
„Es ist der Mut eines blinden Fanatikers.“
„Nur ein Fanatiker kann so naiv sein. Ken hält diese Aktion für ein Flammenschwert, das alle Lüge für immer aus der Liga vertreiben wird. Stell dir vor –
eine weltweit operierende Religion, die sich selbst auflöst und ihre Reichtümer an die Armen verschenkt. Das geht in die Geschichte ein.“
„Seine Rede?“
„Ist blendend. Ich habe ihm ein wenig unter die Arme gegriffen. Details. Fakten. Beweise. Zusammenhänge. Er kommt aus dem Staunen nicht heraus. Ken ist wie
ein Kind.“
„Ist die Rede sicher?“
„Er hat sie nur in seinem privaten Laptop zu Hause. Auf dem System des Hauptquartiers liegt nur der Text einer harmlosen Tarnrede und die Rede vom
Freitagabend. Du kannst mir glauben, es gibt auf dieser Welt drei Menschen, die wissen, wie dieses Seminar wirklich laufen wird: Du, ich und Ken. Selbst
John weiß nichts davon. Ich habe Ken gebeten, ihm noch nichts zu sagen. Ich hoffe, dass er nicht in einer schwachen Stunde plappert. Ich bin sicher, John
würde unseren Plan unterstützen, aber wir können nicht vorsichtig genug sein. Wenn Panetta Wind von der Sache bekommt, ist alles aus. Aber das wird er
nicht.“
Teds Selbstsicherheit bereitete mir Unbehagen. Ich zermarterte mein Gehirn, um irgendwo einen Haken, eine Unebenheit, eine Gefahr zu finden, aber Ted hatte
alles perfekt geplant.
„In meinem Laptop warten bereits die PR-Texte, Anzeigen, Verlautbarungen, Briefe an die Atmas und die verschiedenen Führerschaftsränge. Ich habe für die
Nacht von Samstag auf Sonntag schon eine Nachtschicht gebucht in unserer Druckerei. Die Druckmaschinen laufen an, noch während Ken sich von den Atmas
verabschiedet. Gleichzeitig gehen die Faxe und E-Mails an die Medien raus. Am Sonntag, während Ken auf dem Seminar das ganze vertieft, beginnt bereits der
Versand an die Mitglieder und die Führerschaft.“
Die Unruhe, die tief in mir hin und her schlug wie das Pendel einer alten Uhr, legte sich nicht, bohrte, pochte und stachelte eine Nervosität, die meinen
Körper kribbeln machte.
„Lampenfieber?“, fragte Ted.
Ich nickte.
„Aber du musst doch gar nicht auf die Bühne. Oder sollen wir dich noch ins Programm einbauen? Du könntest zum Beispiel ein paar Anekdoten über Jasons Tod
erzählen.“ Ted lachte unbeschwert.
Am anderen Tag besuchte ich Panetta im Hauptquartier.
„Hast du schon gehört? Wir übertragen live nach London, Houston und Baltimore,“ rief er mir zu. „Und der Text von Kens Vorträgen ist eine Stunde nach dem
Seminar im Internet.“
„Toll. Dann erübrigt es sich wohl, Videos und Kassetten zu produzieren. Wollt ihr das Geschäft ruinieren?“
„Ganz im Gegenteil. Erhöhe die Auflagen. Wir werden eine Menge neuer Atmas haben nach diesem Seminar.“
Panetta schien gelöster als sonst, lud mich zum Mittagessen ein, versuchte, die Rolle des Freundes und Vertrauten zu spielen, war redselig und heiter.
Meine Angespanntheit ließ nicht nach. Ich glaubte in Panettas Augen Triumph leuchten zu sehen.
Endlich kam das Seminarwochenende. Die Organisation des großen Ereignisses spulte sich ab wie ein Uhrwerk. Die Eintrittskarten, die nach einem
ausgeklügelten
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