Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
der jeweilige
Präsident wartete manchmal mit Ideen und Plänen auf, die nicht in diesen Gleichklang passen wollten, was ihn, wenn er beharrte, seinen Job kostete. Er
wurde mit aller Freundlichkeit angehört, engagierte, ereiferte sich, redete gegen eine taube Wand und wurde einige Tage später durch einen anderen ersetzt.
Es kam zu vielen traurigen Szenen, wenn ein Liga-Präsident, in dem Glauben, nur für das Wohl der Organisation zu handeln, plötzlich ohne Nennung von
Gründen mit einem heuchlerischen Dankesbrief seiner Ämter enthoben wurde. Natürlich gab es niemals böse Worte, Vorwürfe oder Anschuldigungen, selbst die
härtesten Entscheidungen wurden stets in der Verpackung gelassener Heiterkeit mitgeteilt, lächelnd, lobend, triefend vor honigsüßer Falschheit. Auf gleiche
Weise wurde auf den unteren Ebenen der Hierarchie gehandelt. Die meisten Betroffenen spielten dieses Spiel mit, unterdrückten ihre Enttäuschung, nahmen die
begütigenden Lügen wörtlich, suchten nach tieferen spirituellen Gründen, sahen in ihrer Demütigung eine vom Hju gesandte Lektion, belegten freiwillig
„Korrekturschulungen“, um ihre vermeintlich fehlerhaften Einstellungen umzuprogrammieren. Ich verachtete diese Kriecher und Buckler, die in der Liga
heranwuchsen, oft vernünftige und erfolgreiche Männer und Frauen, die in der Gegenwart des Mahaguru oder hoher Liga-Führer aber zu erbärmlichen Kreaturen
herabsanken, zu beflissenen Lakaien, bereit, jeden noch so absurden Befehl devot auszuführen, jede Erniedrigung hinzunehmen, getrieben von der Furcht,
durch ein kritisches Wort ihren Aufstieg zur nächsten Einweihung zu gefährden. Nur die Mitglieder des inneren Rates standen hoch über all dem, nur sie
fühlten sich wirklich erhaben und keiner äußeren Macht mehr untertan. Daher rührte der Einklang, der in diesem Kreis herrschte, eine Harmonie, die aber
nicht Ausdruck gemeinsamer Macht war, sondern gemeinsamer Abhängigkeit, gemeinsamer Blindheit, gemeinsamen Gefangenseins.
Es war üblich, vor jeder unserer Zusammenkünfte gemeinsam das Hju zu singen, das stets der Mahaguru anstimmte. Mit dem Hju trat der eigentliche Herrscher
in die Mitte unseres Kreises, die Kraft, die sich durch uns alle ausdrückte, für die wir Mund und Hände waren, die unseren Geist benutzte und unsere
Fähigkeiten und die uns an ihren Fäden tanzen ließ wie Jason in meinem Traum. Ich erinnere mich, dass ich manchmal mit der Absicht zu den Treffen des
inneren Kreises kam, reinen Tisch zu machen, das Gespinst der Selbsttäuschung zu zerreißen, meinem Herzen Luft zu verschaffen, doch dass ich den Mut
verlor, wenn wir das Hju anstimmten, dass andere, fremde Gedanken in meinem Kopf waren, die meine Stellung in der Liga guthießen, mir tausend Gründe
nannten, warum alles zum Besten stand, warum das, was ich Lüge nannte, letztlich doch zu meinem Wohle und zum Wohle vieler Menschen wirkte. Unser innerer
Kreis war nichts anderes als die Öffnung, durch welche diese Kraft in die Pyramide der Liga-Hierarchie eintrat und von dort, von Tausenden Menschen
verstärkt, weiterfloss in die Welt.
Ich erschien nur noch zu den Treffen des inneren Rates, die zwei- oder dreimal im Jahr stattfanden und versuchte ansonsten, die Liga aus meinem Bewusstsein
zu verdrängen. Wenn ich mit Ted über die Liga sprach, behandelten wir das Thema mit den üblichen zynischen Bemerkungen, die uns Gewohnheit geworden waren,
automatisch wiederholte Worthülsen, die unsere innere Leere vor dem anderen verheimlichen sollten. Von den Plänen und Projekten, die wir mit unseren
Gewinnen aus der Liga finanzieren wollten, war nie wieder die Rede. Unsere Freundschaft versank hinter einer Fassade von Klischees und Ritualen, die nur
dazu dienten, die Tatsache voreinander zu verbergen, dass wir uns schämten.
Ich lebte ein Leben in Luxus. Geld spielte keine Rolle, denn die Bücher Jasons, für die Ted und ich die Rechte besaßen, waren Dauerseller, und ständig
kamen neue dazu. Jason hatte den ehrgeizigen Plan gefasst, die Philosophie der Liga in immer neue Formen zu verpacken, um möglichst viele Zielgruppen
anzusprechen. Zu jedem Hauptseminar erschienen ein oder zwei neue Werke von ihm. Ich kannte von diesen Büchern kaum noch die Titel. Jedes aber schien
vergoldet, jedes wurde zum Bestseller, wurde sofort in mehrere Sprachen übersetzt und weltweit an die immer zahlreicher werdenden Atmas und Interessenten
verkauft. Auch die sonstigen Tantiemen, die Ted und
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