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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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verwehrt waren. Ich fragte ihn, ob es nicht eher wohl so gewesen sei, daß die Reichtümer von den adligen Herren und von den Bischöfen aufgehäuft wurden mit Hilfe der Zwangsabgabe des Zehnten und daß mithin die Pastorellen nicht ihre wahren Feinde bekämpften. Worauf Salvatore antwortete, wenn die wahren Feinde zu mächtig seien, müsse man sich eben schwächere Feinde suchen. Ja, dachte ich mir, das war es wohl, warum man die einfachen Leute einfach nannte. Denn nur die Mächtigen wissen immer genau, wer ihre wahren Feinde sind. Und da die adligen Herren nicht wollten, daß die Pastorellen sich ihrer Güter bemächtigten, war es ein großes Glück für sie, daß die Führer der Pastorellen ihre Leute auf die Idee gebracht hatten, es gebe große Reichtümer bei den Juden zu holen.
    Ich fragte Salvatore, wer diesen einfachen Leuten die Idee in den Kopf gesetzt hatte, daß man die Juden umbringen müsse. Er wußte es nicht, und ich glaube, wenn sich so große Menschenhaufen
    zusammenrotten, die einem Versprechen folgen und sofort etwas haben wollen, weiß man nie genau, wer einen Gedanken zuerst aufgebracht hat. Freilich, die Führer der Pastorellen waren in Kloster- und Bischofsschulen erzogen worden und sprachen die Sprache der Herren, wenn auch übersetzt in Begriffe, die den einfachen Hirten und Bauern verständlich waren. Und diese Hirten und Bauern wußten nicht, wo der Papst residierte, aber sie wußten, wo die Juden zu finden waren . . . So stürmten sie eines Tages einen hohen und wohlbefestigten Turm des Königs von Frankreich, in den sich viele verschreckte Juden geflüchtet hatten.
    Die Juden auf und unter den Mauern wehrten sich tapfer und heldenmütig mit Balken und Steinen, doch die Pastorellen steckten das hölzerne Tor in Brand und quälten die Juden im Turm mit Feuer und Rauch. Als diese sahen, daß es für sie keine Rettung mehr gab, und da sie lieber von eigener Hand sterben wollten als von der Mörderhand eines Unbeschnittenen, baten sie einen der ihren, den Mutigsten, daß er sie alle töte mit seinem Schwert. Er willigte ein und tötete fast fünfhundert. Dann trat er mit den Kindern der Juden vors Tor und bat um die Taufe. Die Pastorellen aber sagten: »Du hast ein so großes Gemetzel unter deinen Leuten angerichtet und willst nun selber dem Tod entgehen?« Und rissen ihn in Stücke, verschonten jedoch die Kinder, um sie zu taufen. Anschließend zogen sie sengend und mordend weiter nach Carcassonne. Da aber wurde es endlich dem König von Frankreich zuviel, und er befahl, man solle ihnen Widerstand leisten in jeder Stadt, in die sie kämen, ja man solle sogar die Juden verteidigen, als wären sie Leute des Königs . . .
    Warum war der König auf einmal so sehr um die Juden besorgt? Vielleicht weil er sich klarzumachen begann, was die wachsende Horde der Pastorellen seinem Reich hätte antun können? Jedenfalls empfand er nun Mitleid mit den Juden, sei's weil sie nützlich waren für den Handel des Reiches, sei's weil es jetzt galt, die Pastorellen zu vernichten, und darum mußte er allen guten Christen einen Grund geben, die Verbrechen der Horde zu beklagen. Doch viele Christen gehorchten dem König nicht, da sie es nicht richtig fanden, die Juden zu verteidigen, die seit jeher die Feinde des christlichen Glaubens gewesen seien. Außerdem waren die Leute in vielen Städten froh, daß die Juden, denen sie Wucherzinsen hatten bezahlen müssen, nun von den Pastorellen für ihren Geiz und Reichtum bestraft wurden. Schließlich verbot der König bei Strafe des Todes, den Pastorellen in irgendeiner Weise behilflich zu sein. Er stellte ein großes Heer auf und griff sie an, und viele von ihnen wurden getötet, andere entkamen in die Wälder, wo sie elendiglich zugrunde gingen.
    Im Handumdrehen war die ganze Horde vernichtet. Der Beauftragte des Königs fing die Überlebenden ein und knüpfte sie an den höchsten Bäumen auf, zwanzig bis dreißig auf einmal, damit der Anblick ihrer Leichen als ewige Mahnung und abschreckendes Beispiel diene, so daß es fortan niemand mehr wage, den Frieden des Reiches zu stören.
    Einzigartig an dieser Geschichte war indessen, daß Salvatore sie mir erzählte, als habe es sich um eine fromme und gottesfürchtige Unternehmung gehandelt. Tatsächlich war er immer noch fest davon überzeugt, daß die Horde der Pastorellen durchs Land gezogen sei, um das Heilige Grab aus den Händen der Ungläubigen zu befreien, und ich konnte ihm nicht begreiflich machen, daß diese

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