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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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quadratischen Bauformen der Kathedralen mit den exegetischen Spitzfindigkeiten in den Vierkantformeln der Summulae verglich, indem ich zwischen Notre Dame und zisterziensischen Kirchen vagabundierte, freundlich plaudernd mit gebildeten und gespreizten Cluniazensermönchen, beargwöhnt von einem schwerfälligen und rationalistischen Aquinaten, in Versuchung geführt von Honorius Augustoduniensis mit seinen phantastischen Geographien, aus denen man nicht nur erfährt, quare inpueritia coitus non contingat 8, sondern auch, wie man zur Verlorenen Insel gelangt und wie man einen Basilisken fängt, ausgerüstet nur mit einem Taschenspiegel und einem unerschütterlichen Glauben an das Bestiarium . . . Diese Vorlieben und Leidenschaften haben mich nie verlassen, auch nicht, als ich später aus geistigen und materiellen Gründen 333
    Nachschrift zum »Namen der Rose«
    andere Wege beschritt (wer Mediävistik betreiben will, muß oft beträchtliche Mittel aufwenden, um in ferne Bibliotheken reisen und seltene Handschriften mikrofilmen zu können). So ist das Mittelalter zwar nicht mein Beruf, wohl aber mein Hobby geblieben – und meine stete Versuchung, denn ich sehe es überall durchscheinen in den Dingen, mit denen ich mich beschäftige, die nicht mittelalterlich erscheinen und es doch sind . . . Heimliche Ferien unter den Säulen und Rundbögen von Autun, wo heute der Abt Grivot Manuale über den Teufel schreibt mit schwefelgetränktem Einband, sommerliche Ekstasen vor den Portalen von Conques und Moissac, betört von den vierundzwanzig Greisen der Apokalypse oder von Teufeln, welche die armen verdammten Seelen in kochende Kessel pferchen; zugleich Regenerationen des Geistes durch Lektüre des Aufklärer-Mönches Beda, Tröstungen der Vernunft durch das Studium Ockhams, um die Geheimnisse der Zeichen auch dort zu verstehen, wo Saussure noch dunkel geblieben ist. Und so weiter, mit fortdauernder Nostalgie nach der Peregrinatio Sancti Brendani, mit Überprüfungen unseres Denkens am altirischen Book of Kells , mit Borges, wiedergefunden in den keltischen Kenningar , mit Kontrolluntersuchungen zum Verhältnis von überredeten Massen und Macht anhand der Tagebücher des Abt-Bischofs Suger . . .«
    Die Maske
    In Wahrheit beschloß ich nicht nur, vom Mittelalter zu erzählen, sondern im Mittelalter, nämlich durch den Mund eines mittelalterlichen Chronisten. Ich war als Erzähler Debütant, ich hatte bisher die Erzähler stets nur von außen betrachtet, von der anderen Seite der Barrikade. Ich schämte mich zu erzählen. Ich kam mir vor wie ein Theaterkritiker, der sich plötzlich im Rampenlicht exponiert, auf offener Bühne vor den Augen all derer, mit denen er bisher komplizenhaft im Parkett gehockt hatte.
    Kann einer, der erzählen will, heute noch sagen: »Es war ein klarer spätherbstlicher Morgen gegen Ende November«, ohne sich dabei wie Snoopy zu fühlen? Was aber, wenn ich Snoopy das sagen ließe? Wenn also die Worte »Es war ein klarer spätherbstlicher Morgen . . .« jemand sagte, der dazu berechtigt war, weil man zu seiner Zeit noch so anheben konnte? Eine Maske, das war's, was ich brauchte.
    Ich setzte mich also hin und las (erneut) die mittelalterlichen Chronisten, um mir den Rhythmus und die Unschuld ihrer Erzählweise anzueignen. Sie sollten für mich sprechen, dann war ich frei von jedem Verdacht.
    Von jedem Verdacht, aber nicht vom Gewicht der Vergangenheit, von den Echos der Intertextualität. Denn nun entdeckte ich, was die Dichter seit jeher wußten (und schon so oft gesagt haben): Alle Bücher sprechen immer von anderen Büchern, und jede Geschichte erzählt eine längst schon erzählte Geschichte. Das wußte Homer, das wußte Ariost, zu schweigen von Rabelais und Cervantes . . . Ergo konnte meine Geschichte nur mit der wiedergefundenen Handschrift beginnen, und auch das wäre dann (natürlich) nur ein Zitat. So schrieb ich zunächst das Vorwort, indem ich meine Erzählung, verpackt in drei andere Erzählungen, in den vierten Grad der Verpuppung setzte: Ich sage, daß Vallet sagte, daß Mabillon sagte, daß Adson sagte . . .
    Nun war ich von allen Ängsten frei. Und an diesem Punkt hörte ich wieder auf zu schreiben. Ich hörte auf für ein ganzes Jahr, weil ich noch etwas anderes entdeckte, was ich zwar schon wußte (alle wußten es), aber erst beim Arbeiten richtig verstand. .
    Ich entdeckte nämlich, daß ein Roman zunächst einmal gar nichts mit Worten und Sprache zu tun hat.
    Das »Schreiben« eines

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