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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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durch das verspritzte Wasser, und wo der Leichnam gelegen hatte, war jetzt ein großer dunkler Fleck.
    »Schönes Durcheinander hier«, sagte William und schaute auf die kreuz und quer laufenden Spuren der Mönche und Knechte. »Schnee, lieber Adson, ist ein wunderbares Pergament, auf dem die Füße der Menschen deutlich lesbare Schriftzüge hinterlassen. Aber dies hier ist leider ein schlecht abgeschabtes Palimpsest, auf dem wir kaum etwas Interessantes entziffern werden. Von hier bis zur Kirche hat es ein großes Gerenne von Mönchen gegeben, und auf dem Weg von hier zu den Ställen sind Knechte in Scharen gelaufen. Die einzige Zone, die noch unberührt ist, ist die zwischen dem Schweinestall und dem Aedificium.
    Komm, laß uns sehen, ob wir dort etwas Interessantes finden.«
    »Aber was wollt Ihr denn finden?« fragte ich.
    »Wenn der arme Venantius sich nicht von selbst in den Bottich gestürzt hat, muß ihn jemand hergetragen haben, wahrscheinlich schon tot. Und wer den Körper eines anderen trägt, macht tiefe Spuren im Schnee.
    Also schau dich mal um, ob du hier irgendwo Spuren entdeckst, die anders aussehen als die Spuren all dieser 69
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    schwatzhaften Mönche, die unser Pergament ruiniert haben.« Wir machten uns auf die Suche, und ich will gleich verraten, daß ich es war (Gott schütze mich vor der Eitelkeit!), der zwischen Bottich und Aedificium etwas entdeckte. Es waren Abdrücke menschlicher Füße in einem Teil des Hofes, den heute morgen noch niemand betreten hatte; ziemlich tiefe Abdrücke sogar, deren Ränder, wie mein kluger Lehrer sofort erkannte, nicht so scharf waren wie die der Mönche und Knechte, was bedeutete, daß frischer Schnee darauf gefallen war und sie folglich älter sein mußten. Doch am bemerkenswertesten an diesen Abdrücken war, daß zwischen ihnen eine ununterbrochene dünne Spur verlief, wie wenn derjenige, der hier gegangen war, etwas hinter sich hergeschleift hätte. Mit einem Wort: ein Streifen im Schnee, der vom Bottich zum Refektorium führte, zur Mauer des Aedificiums zwischen dem Süd- und dem Ostturm.
    »Refektorium, Skriptorium, Bibliothek«, sagte William. »Schon wieder die Bibliothek! Ich sage dir: Venantius ist im Aedificium gestorben – und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach in der Bibliothek!«
    »Warum ausgerechnet in der Bibliothek?«
    »Ich versuche, mich in die Lage des Mörders zu versetzen. Hätte er Venantius im Refektorium, in der Küche oder im Skriptorium umgebracht, warum ließ er ihn dann nicht einfach dort liegen? Hat er ihn aber in der Bibliothek ermordet, dann mußte er ihn woandershin bringen, sei's weil die Leiche in der Bibliothek nie gefunden worden wäre (und vielleicht war dem Mörder daran gelegen, daß man sie findet), sei's weil der Mörder nicht wollte, daß sich die Aufmerksamkeit auf die Bibliothek konzentriert.«
    »Und wieso sollte dem Mörder daran gelegen sein, daß man die Leiche findet?«
    »Ich weiß nicht, ich stelle nur Hypothesen auf. Wer sagt dir zum Beispiel, daß der Mörder Venantius getötet hat, weil er Venantius haßte? Er könnte ihn auch statt eines anderen getötet haben, als Zeichen, um auf etwas anderes hinzuweisen.«
    » Omnis mundi creatura quasi liber et scriptura . . .«, murmelte ich unwillkürlich. »Aber was wäre das dann für ein Zeichen?«
    »Eben das ist es, was ich nicht weiß. Aber vergessen wir nie, daß es auch Zeichen gibt, die nur scheinbar etwas bedeuten, in Wahrheit aber ganz sinnlos sind, wie blitiri oder bu-ba-baff . . .«
    »Es wäre gräßlich«, sagte ich, »einen Menschen zu töten, um nichts als bu-ba-baff zu sagen!«
    »Es wäre auch gräßlich«, versetzte William, »einen Menschen zu töten, um Credo in unum Deum zu sagen
    . . .«
    In diesem Moment kam Severin zurück und berichtete uns, der Leichnam sei gewaschen und sorgfältig untersucht worden. Keine Verletzung und keine Prellung. Venantius sei offenbar wie durch Zauber gestorben.
    »Vielleicht durch Gottes strafende Hand?« fragte William.
    »Vielleicht«, antwortete Severin.
    »Oder durch Gift?«
    Severin zögerte: »Möglich, auch das.«
    »Hast du Gift in deinem Laboratorium?« fragte William, während wir uns zum Spital begaben.
    »Gewiß, auch. Das hängt ganz davon ab, was du unter Gift verstehst. Es gibt Substanzen, die in kleiner Dosierung heilend wirken und in zu großer tödlich sind. Wie jeder gute Botaniker habe ich solche natürlich und mache diskret von ihnen Gebrauch. Zum Beispiel

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