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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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vielerlei Mittel und Wege gibt, jemanden zum Reden zu bringen!«
    William hatte mir mehr als einmal gesagt, daß er die Folter stets abgelehnt habe, auch während seiner Tätigkeit als Inquisitor. Aber Berengar mißverstand ihn (und sollte ihn wohl auch mißverstehen), jedenfalls ging Williams Rechnung auf.
    74
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    »Ja, ja!« gestand Berengar aufschluchzend. »Ich habe Adelmus an jenem Abend gesehen, aber da war er schon tot!«
    »Wie das?« fragte William überrascht. »Unten am Steilhang?«
    »Nein, nein, auf dem Friedhof, er wandelte zwischen den Gräbern umher, als Larve unter den Larven!
    Ich sah sofort, daß ich keinen Lebenden vor mir hatte, sein Antlitz war das eines Toten, seine flackernden Augen schauten bereits die ewigen Höllenstrafen! Natürlich wußte ich erst am nächsten Morgen, als ich von seinem Tod erfuhr, daß ich ein Gespenst gesehen hatte, aber ich fühlte sogleich, daß ich vor einer Erscheinung stand, vor einem Verdammten, einem unseligen Geist . . . Oh Gott, mit welcher Grabesstimme er zu mir sprach!«
    »Und was sagte er?«
    »›Verdammt bin ich‹, sagte er. ›Du siehst mich als einen, der aus der Hölle kommt, und zur Hölle muß ich zurück.‹ So sprach er. Und ich schrie: ›Adelmus, kommst du wahrhaftig aus der Hölle? Sag mir, wie sind die Strafen der Hölle?‹ Und ich bebte, denn eben erst war ich im Spätgottesdienst gewesen und hatte dort schreckliche Worte über den Zorn des Herrn gehört. Und der Geist sprach zu mir: ›Die Strafen der Hölle sind schlimmer, unendlich viel schlimmer, als unsere Zunge zu sagen vermag. Sieh hier‹, sagte er, ›diesen leichten Mantel, mit dem ich bekleidet war bis heute. Er lastet auf mir und bedrückt mich, als hätt' ich auf meinen Schultern den größten Turm von Paris oder alle Berge der Welt und könnt' sie nimmermehr abwerfen. Und diese Strafe ward mir zuteil für meine Gefallsucht, auferlegt hat sie mir Gottes Gerechtigkeit, weil ich meinen Körper für einen Ort der Lüste hielt, und weil ich mehr zu wissen vermeinte als andere, und weil ich Ergötzen fand an monströsen Dingen, die in meiner Phantasie umgingen und in meiner Seele noch weit monströsere Dinge zeugten – und mit diesen muß ich nun leben ewiglich! Sieh hier, das Futter dieses Mantels ist, als wäre es ganz aus Glut und brennendem Feuer, und dieses Feuer brennt meinen Körper, und diese Strafe ward mir verhängt für die Sünde des Fleisches, mit welcher ich mich befleckte, und dieses nimmermehr endende Feuer frißt mich von innen und verzehrt mich! Reiche mir deine Hand, mein schöner Lehrer‹, so sprach er, ›damit dir diese Begegnung eine nützliche Lehre sei, mit welcher ich dir vergelte die vielen Lehren, die du mir erteiltest. Reiche mir deine Hand, mein schöner Lehrer!‹ Und dabei schüttelte er einen Finger seiner brennenden Hand, und ein kleiner Tropfen von seinem Schweiß fiel auf meine Hand, und mich dünkte, daß er meine Hand durchbohre, und noch tagelang trug ich das Mal, nur daß ich es vor den anderen verbarg. Dann verschwand er zwischen den Gräbern, und am nächsten Morgen erfuhr ich, daß jener Körper, der mich so furchtbar erschreckt hatte, tot zu Füßen des Felsens lag.«
    Berengar atmete schwer, und Tränen strömten ihm übers Gesicht. »Wieso«, fragte William, »nannte er dich ›mein schöner Lehrer‹? Hattest du ihm etwas beigebracht?«
    Berengar verhüllte sein Haupt in der Kapuze und sank vor William auf die Knie. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht, warum er mich so nannte, ich habe ihm nichts beigebracht!« Heftig aufschluchzend umschlang er Williams Beine. »Pater, ich habe Angst, ich möchte beichten, erbarmt Euch meiner, ein Teufel frißt mir die Eingeweide!«
    William schüttelte ihn ab und reichte ihm die Hand, um ihn aufzurichten. »Nein, Berengar, nicht beichten sollst du mir. Verschließe nicht meine Lippen, indem du die deinen öffnest! Was ich von dir wissen will, mußt du mir auf andere Weise sagen. Und wenn du es mir nicht sagen kannst, werde ich es auf meine Weise herausbekommen. Bitte mich um Erbarmen, wenn du willst, aber nicht um Schweigen! Zuviel wird in dieser Abtei schon geschwiegen. Sag mir lieber, wie du mitten in der finsteren Nacht sehen konntest, daß sein Gesicht bleich war, und wie du dir mitten im Regen und Schneesturm die Hand verbrennen konntest.
    Was hast du zu dieser späten Stunde auf dem Friedhof gemacht? Los, rede!« Er schüttelte ihn an den Schultern. »Sag mir

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