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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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scheint mir typisch für die geringe Tugend der Italiener, daß sie nur aus Angst vor irgendeinem magischen Bildnis nicht sündigen, solange es nur den Namen eines Heiligen trägt. Sie haben mehr Angst vor den Bildern des heiligen Sebastian oder des heiligen Antonius als vor Christus. Wenn hierzulande jemand einen Platz sauberhalten will, auf daß niemand daraufsein Wasser abschlage, wie es die Italiener nach Art der Hunde tun, so hängt er einfach ein Bild des heiligen Antonius mit der Holzspitze auf, und das verjagt dann die Pinkler. So laufen die Italiener Gefahr, in den alten Aberglauben zurückzufallen. Sie glauben nicht mehr an die Auferstehung des Fleisches, sie fürchten sich nur noch vor Unglück und körperlichen Verletzungen, und deswegen haben sie mehr Angst vor dem heiligen Antonius als vor Christus.«
    »Aber Berengar ist nicht Italiener«, gab ich zu bedenken.
    »Das macht nichts, er lebt hier, und ich spreche vom geistigen Klima, das die Kirche und die Predigerorden in diesem Lande verbreitet haben und das hier alles durchdringt. Es erreicht sogar diese ehrwürdige Abtei voller gelehrter Mönche.«
    »Aber die sündigen doch wenigstens nicht«, beharrte ich, bereit, mich mit diesem geringen Trost zufriedenzugeben.
    »Wenn die Abtei ein speculum mundi wäre, hättest du schon die Antwort.«
    »Ist sie denn einer?« fragte ich.
    »Damit es einen Spiegel der Welt geben kann, muß die Welt eine Form haben«, schloß William mit einem Satz, der für meinen jugendlichen Verstand zu philosophisch war.
    77
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    ZWEITER TAG
    TERTIA
    Worin man Zeuge eines vulgären Streites wird, Aymarus von Alessandria sich in Anspielungen ergeht und Adson über die Heiligkeit meditiert sowie über den Kot des Teufels. Anschließend begeben sich William und Adson erneut ins Skriptorium, William sieht etwas Interessantes, führt ein drittes Gespräch über das Erlaubtsein des Lachens und kann schließlich doch nicht sehen, was er gern sehen möchte.
    Bevor wir ins Skriptorium hinaufgingen, setzten wir uns in die Küche, um uns ein wenig zu stärken, denn wir hatten den ganzen Morgen noch nichts zu uns genommen. Ein Becher warmer Milch belebte mich rasch.
    Der große Kamin am Südende der langen Halle brannte schon hell wie eine Esse, und im Ofen am anderen Ende wurde das Brot für den Tag gebacken. Zwei Hirten kamen gerade herein und brachten den Rumpf einer frischgeschlachteten Ziege. Unter den Küchendienern entdeckte ich Salvatore, der mir aus seinem wölfischen Mund ein schiefes Lächeln zuwarf. Dabei nahm er von einem Tisch die Reste des gebratenen Hähnchens, das am Abend zuvor dem Abt serviert worden war, und steckte sie heimlich einem der Hirten zu, der sie mit zufriedenem Grinsen in seinem ledernen Wams verbarg. Aber der Küchenmeister hatte es auch gesehen und tadelte nun Salvatore: »Cellerar, Cellerar«, sagte er, »du sollst die Klostergüter verwalten und nicht verschwenden!«
    »Filii Dei sunt«, rechtfertigte sich Salvatore. »Und Jesu Christo hat gesagt, daß facite für ihn, was facite für einen von diese poveri!«
    »Frechling von einem Fratizellen, Mistkerl von einem Minoriten!« fuhr ihn der Küchenmeister barsch an.
    »Du bist hier nicht mehr bei deinen Bettelbrüdern! Für milde Gaben an die Kinder Gottes sorgt hier der Abt in seiner Barmherzigkeit!«
    Salvatore lief rot an und schrie sehr wütend zurück: »Bin kein Fratizell von Minoriten! No! Bin ein richtiger Mönch von Sancti Benedicti! Merde à toi, Scheißbogomile!«
    »Selber Scheißbogomile!« tobte der Küchenmeister. »Und Bogomila die große Hure besorgt's dir von hinten bei Nacht, du altes Schwein, du mit deiner Ketzerfresse!«
    Salvatore sah bekümmert zu uns herüber und führte die Hirten rasch hinaus. »Bruder«, sagte er laut zu William, als er an unserem Tisch vorbeikam, »tu du verteidigen dein Orden, que no es il mio! Sag dem hier, daß Filios Sancti Francisci non ereticos esse!« Dann raunte er mir ins Ohr: »Menteur, ille! Pah!« und spuckte verächtlich aus.
    Der Küchenmeister kam wütend angerannt, stieß Salvatore zur Tür hinaus und knallte sie donnernd zu.
    Dann drehte er sich zu William um und sagte in respektvollem Ton: »Bruder, glaubt mir, nicht Euren Orden und die heiligen Männer in seinen Reihen wollte ich schlechtmachen. Ich meinte nur diesen falschen Minoriten und falschen Benediktiner, der nicht Fisch und nicht Fleisch ist.«
    »Ich weiß Bescheid über seine Herkunft«, sagte William

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