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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wenigstens das!«
    Berengar zitterte an allen Gliedern. »Ich weiß nicht, was ich auf dem Friedhof machte, ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß nicht, warum ich sein Gesicht sehen konnte, vielleicht hatte er ein Licht, nein
    . . . er hatte ein Licht, er trug eine Flamme, vielleicht sah ich sein Gesicht im Schein dieser Flamme . . .«
    »Wie konnte er ein Licht tragen, wenn es schneite und regnete?«
    »Es war nach Komplet, gleich nach Komplet, und es schneite noch nicht, es begann erst danach zu schneien . . . Jetzt fällt es mir ein, die ersten Sturmböen kamen auf, als ich zum Dormitorium floh. Denn ich floh zum Dormitorium, in die entgegengesetzte Richtung, in die das Gespenst entschwand . . . Und mehr weiß ich wirklich nicht. Ich bitte Euch, fragt mich nicht weiter, wenn ich Euch nicht beichten darf!«
    »Gut«, sagte William. »Geh nun, geh in die Kirche und sprich mit dem Herrn, wenn du nicht mit den Menschen sprechen willst, oder suche dir einen Bruder, der deine Beichte anhören will, denn wenn du 75
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    seither nicht gebeichtet hast, hast du die heiligen Sakramente entweiht. Geh! Wir sehen uns noch.«
    Berengar eilte stolpernd davon. Und William rieb sich die Hände, wie ich es oft bei ihm gesehen hatte, wenn er von etwas befriedigt war.
    »Sehr gut«, freute er sich, »jetzt wird mir vieles klar.«
    »Klar?« fragte ich erstaunt. »Klar, Meister? Jetzt, wo wir zu allem anderen auch noch das Gespenst des Adelmus haben?«
    »Mein lieber Adson«, erklärte William, »dieses Gespenst scheint mir alles in allem recht harmlos gewesen zu sein, und jedenfalls rezitierte es eine Seite, die ich schon einmal in einem Lehrbuch für Prediger las. Ich sage dir, diese Mönche lesen zuviel, und wenn sie erregt sind, sehen sie all die Visionen wieder, die sie beim Lesen der Bücher hatten. Ich weiß nicht, ob Adelmus wirklich all diese Dinge gesagt hat oder ob Berengar sie nur hörte, weil er sie hören wollte. Tatsache ist, daß diese Gespenstergeschichte viele meiner Vermutungen bestätigt. Zum Beispiel weiß ich nun: Adelmus hat sich selbst in den Tod gestürzt. Und Berengars Geschichte sagt uns, daß er kurz vor seinem Tod in großer Erregung herumlief, voller Gewissensbisse über etwas, das er getan hatte. Und daß er so tief erschrocken war über seine Missetat, lag daran, daß ihn jemand sehr gründlich erschreckt hatte. Ja, möglicherweise hatte ihm dieser Jemand genau die Höllengeschichte erzählt, die er dann mit so markerschütternden Worten unserem armen Berengar weitererzählte. Und über den Friedhof ging er, weil er gerade aus dem Chor kam, wo er sich jemandem anvertraut (oder jemandem gebeichtet) hatte. Jemandem, der ihm vermutlich einen höllischen Schrecken eingejagt und schlimmste Gewissensbisse gemacht hatte. Und vom Friedhof verschwand er, wie Berengar uns zu verstehen gab, in die dem Dormitorium entgegengesetzte Richtung. Also zum Aedificium – oder auch (ja, das wäre schon möglich) zur Umfassungsmauer hinter dem Schweinestall, das heißt zu der Stelle, wo er sich meiner Hypothese zufolge hinuntergestürzt haben muß. Und er hat sich in den Abgrund gestürzt, bevor der Sturm aufkam, das heißt: Er starb zu Füßen der Mauer im Müllhaufen, und erst danach hat der Erdrutsch seine Leiche hinunter ins Tal gerissen.«
    »Aber was ist mit dem brennenden Schweißtropfen?«
    »Der kam entweder bereits in der Geschichte vor, die Adelmus gehört und dann weitererzählt hatte, oder Berengar hat ihn in seiner Erregung und seiner eigenen Gewissensqual hinzuerfunden. Denn als Antistrophe zu Adelmus' schlechtem Gewissen gibt es, wie du gemerkt hast, ein schlechtes Gewissen Berengars. Möglich ist auch, daß Adelmus, wenn er aus dem Chor kam, eine Kerze trug, und vielleicht war der Tropfen auf der Hand seines Freundes nur ein Tropfen von heißem Wachs. Wirklich verbrannt fühlte Berengar sich wohl eher von etwas anderem, nämlich von der gewiß nicht erfundenen Anrede ›mein schöner Lehrer‹, die ihm zeigte, daß Adelmus ihm vorwarf, etwas von ihm gelernt zu haben, das ihn nun zur Verzweiflung trieb. Und Berengar leidet, weil er weiß, daß er Adelmus in den Tod getrieben hat, indem er ihn etwas tun ließ, was man nicht darf. Und nach allem, was wir über unseren Bibliothekarsgehilfen gehört haben, mein armer Adson, ist es nicht schwer zu raten, was das war.«
    »Ich glaube verstanden zu haben, was zwischen den beiden vorgefallen ist«, sagte ich, nicht ohne Scham

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