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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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über meine Weltklugheit. »Aber sagt mir, wir glauben doch alle an einen barmherzigen Gott, und Adelmus hatte doch sicher gebeichtet. Warum hat er sich dann für seine erste Sünde bestrafen wollen, indem er eine gewiß noch viel schlimmere oder jedenfalls ebenso schlimme Sünde beging?«
    »Weil ihn jemand zu Tode erschreckt hat, weil ihm jemand Dinge gesagt hat, die ihn zur Verzweiflung trieben. Ich erwähnte vorhin, daß die höllischen Worte, die Adelmus so große Angst gemacht hatten und mit denen er dann seinem Freund Berengar so große Angst machte, sehr stark an eine bestimmte Stelle in einem Predigerhandbuch unserer Tage erinnern. Und nie zuvor, lieber Adson, haben die Prediger so schauerliche, furchterregende und makabre Worte gebraucht wie heutzutage, um das Volk zu erschrecken und zur Frömmigkeit anzuhalten (und zum Glaubenseifer und zur Ehrfurcht vor den Gesetzen Gottes und der Menschen). Nie zuvor war in den Gesängen der Büßer so viel von den Schmerzen Christi und der Heiligen Jungfrau die Rede, denk nur an die Flagellantenprozessionen! Nie zuvor waren die Priester so sehr darauf aus, den Glauben der Laien durch die Beschwörung der Höllenqualen zu schüren!«
    »Vielleicht besteht ein Bedürfnis nach Buße«, sagte ich.
    »Adson, ich habe niemals zuvor so viele Aufrufe zur Buße gehört wie heute – in einer Zeit, da weder die Prediger noch die Bischöfe, ja nicht einmal meine spiritualen Mitbrüder wirklich imstande sind, wahre Buße zu tun!«
    »Aber«, rief ich bestürzt, »das Dritte Zeitalter, der Papa Angelicus, das Kapitel zu Perugia . . .«
    »Nostalgien, Illusionen! Die große Zeit der Bußfertigkeit ist vorbei, und deswegen kann heute auch das 76
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    Generalkapitel des Ordens von Buße reden. Vor hundert oder zweihundert Jahren gab es eine große Erneuerungsbewegung. Das war, als jeder, der von der Notwendigkeit einer Umkehr sprach, ob Heiliger oder Ketzer, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Heute reden alle davon. In gewissem Sinne diskutiert sogar der Papst darüber. Mißtraue den Erneuerungen der menschlichen Gattung, wenn die Kurie und die Fürstenhöfe davon zu reden beginnen!«
    »Aber Fra Dolcino«, warf ich aufs Geratewohl ein, begierig, mehr über diesen Mann zu erfahren, dessen Name seit unserer Ankunft in der Abtei schon mehrmals gefallen war.
    »Er ist tot, und er starb so schlimm, wie er lebte, denn auch er war zu spät gekommen. Was weißt du überhaupt von ihm?«
    »Nichts, deshalb frage ich ja.«
    »Ich spreche nicht gern über ihn. Ich habe mit einigen der sogenannten Apostler zu tun gehabt, ich habe sie aus der Nähe beobachtet. Eine traurige Geschichte, sie würde dich sehr beunruhigen. Mich hat sie jedenfalls sehr beunruhigt, und noch mehr beunruhigen würde dich meine Unfähigkeit, ein klares Urteil über sie abzugeben. Es ist die Geschichte eines Mannes, der schlimme und sinnlose Dinge tat, weil er praktizierte, was viele Heilige ihm gepredigt hatten. Von einem bestimmten Punkt an habe ich nicht mehr verstanden, wer die Schuld daran trug, ich war wie . . . wie benebelt angesichts einer gewissen Familienähnlichkeit zwischen den beiden Lagern, dem der Heiligen, die den Menschen die Buße predigten, und dem der Sünder, die sie dann praktizierten, oft auf Kosten der anderen . . . Aber ich sprach von etwas anderem. Oder nein, ich meinte immer dasselbe: Die Zeit der wahren Bußfertigkeit ist vorbei, für die Büßenden ist das Bedürfnis nach Buße zu einem Bedürfnis nach Tod geworden. Und jene, die ihrerseits nun diese wildgewordenen Büßer töteten, womit sie Tod zu Tod fügten, um die wahre Buße, die todbringend war, zu vernichten, haben die Bußfertigkeit der Seele ersetzt durch eine Bußfertigkeit der Einbildung, eine Beschwörung übernatürlicher Leidens- und Blutvisionen, die sie dann ›Spiegel, der wahren Buße‹ nannten.
    Ein Spiegel, der in den Phantasien der Laien, aber zuweilen auch der Gelehrten, die Qualen der Hölle lebendig macht. Damit künftig – so heißt es – niemand mehr sündigen mag. So hofft man, durch Angst die Seelen vom Sündigen abzubringen, und so versucht man, das Aufbegehren durch Angst zu ersetzen.«
    »Und werden sie nun wirklich nicht mehr sündigen?« fragte ich zweifelnd.
    »Das hängt ganz davon ab, was du unter sündigen verstehst, lieber Adson«, sagte mein Lehrer. »Ich will nicht ungerecht sein mit den Bewohnern dieses Landes, in dem ich nun schon seit einigen Jahren lebe, aber es

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