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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Melancholie.«
    »Das Baden ist eine gute Sache«, pflichtete Jorge ihm bei, »und selbst der Aquinate empfiehlt es als Mittel gegen die Trübsal, die eine schlimme Leidenschaft sein kann, wenn sie nicht aus einem Leiden kommt, das sich durch Tapferkeit überwinden läßt. Das Baden bringt die Körpersäfte ins Gleichgewicht. Das Lachen dagegen schüttelt den Körper, entstellt die Gesichtszüge und macht die Menschen den Affen gleich.«
    »Die Affen lachen nicht, das Lachen ist dem Menschen eigentümlich, es ist ein Zeichen seiner Vernunft«, entgegnete William.
    »Auch die Sprache ist ein Zeichen der menschlichen Vernunft, und mit der Sprache kann man Gott lästern! Nicht alles, was dem Menschen eigentümlich ist, ist deswegen auch schon gut. Das Lachen ist ein 83
    Der Name der Rose – Zweiter Tag
    Zeichen der Dummheit. Wer lacht, glaubt nicht an das, worüber er lacht, aber er haßt es auch nicht. Wer also über das Böse lacht, zeigt damit, daß er nicht bereit ist, das Böse zu bekämpfen, und wer über das Gute lacht, zeigt damit, daß er die Kraft verkennt, dank welcher das Gute sich wie von selbst verbreitet. Darum heißt es in der Regel des heiligen Benedikt: › Decimus humilitatis gradus est si non sit facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: stultus in risu exaltat vocem suam. ‹«
    »Quintilian sagte«, unterbrach mein Meister, »im Panegyrikus müsse das Lachen zwar unterdrückt werden, um der Würde willen, aber in vielen anderen Fällen solle man es ermuntern. Plinius der Jüngere schrieb: › Aliquando praeterea rideo, iocor, ludo, homo sum. ‹«
    »Sie waren Heiden«, versetzte Jorge. »Die Regel des heiligen Benedikt sagt: › Scurrilitates vero vel verba otiosa et risum moventia aeterna clausura in omnibus locis damnamus, et ad talia eloquia discipulum aperire os non permittimus. ‹«
    »Aber zu einer Zeit, als das Wort Christi bereits auf Erden siegreich war, sagte Synesios von Kyrene, die Gottheit habe das Komische und das Tragische harmonisch zu verbinden gewußt, und Aelius Spartianus berichtet von Kaiser Hadrian, einem hochgebildeten Manne von naturaliter christlichem Geist, er habe Momente von Fröhlichkeit mit Momenten von Ernst zu mischen verstanden. Und Ausonius schließlich empfiehlt, Ernst und Spaß in wohlabgewogenem Maß zu dosieren.«
    »Aber Paulinus von Nola und Clemens von Alexandria warnten vor dergleichen Dummheiten, und Sulpicius Severus berichtet, den heiligen Martin habe man weder je wütend gesehen noch jemals von lautem Gelächter geschüttelt.«
    »Aber er berichtet auch von einigen höchst geistreichen Repliken des Heiligen.«
    »Sie waren prompt und treffend, aber nicht komisch. Sankt Ephraim hat eine Paränese gegen das Lachen der Mönche geschrieben, und in De habitu et conversatione monachorum heißt es, Schamlosigkeiten und Witze seien zu meiden, als ob sie das Gift der Sandvipern wären.«
    »Aber Hildebert von Lavardin sagte: › Admittenda tibi joca sunt post seria quaedam, sed tamen et dignis ipsa gerenda modis .‹ Und Johann von Salisbury hat eine maßvolle Heiterkeit ausdrücklich erlaubt. Und schließlich der Ekklesiast, von dem Ihr selber soeben die Stelle zitiertet, auf welche sich Eure Ordensregel bezieht: Wenn er sagt: ›Der Dumme erhebt seine Stimme zu lautem Lachem, so akzeptiert er zumindest ein stilles Lachen, ein Lachen der heiteren Seele.‹«
    »Die Seele ist heiter nur, wenn sie die Wahrheit schaut und sich am vollendeten Schönen ergötzt, und über die Wahrheit und Schönheit lacht man nicht. Eben darum hat Christus niemals gelacht. Das Lachen schürt nur den Zweifel.«
    »Manchmal ist Zweifel durchaus geboten.«
    »Ich sehe nicht ein, warum. Wer zweifelt, wende sich an eine Autorität, befrage die Schriften eines heiligen Vaters oder Gelehrten, und schon endet jeder Zweifel. Ihr scheint mir durchtränkt von fragwürdigen Doktrinen gleich denen der Logiker zu Paris. Aber Sankt Bernhard wußte sehr wohl gegen den Kastraten Abaelard vorzugehen, der alle Probleme dem kalten und gnadenlos prüfenden Blick einer nicht von den Schriften erleuchteten Ratio unterwerfen wollte, um dann zu allem und jedem sein ›So ist es und so ist es nicht‹ zu verkünden. Gewiß, wer solche äußerst gefährlichen und gewagten Ideen billigt, mag auch das Spiel des Narren genießen, der sich lustig macht über Dinge, von denen man nur die ein für allemal offenbarte Wahrheit zu wissen hat. Aber so lachend sagt der Narr implizit: Deus non est

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