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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wenig am Schicksal des Ordens interessiert, doch um so mehr an der Verwaltung des Kellers und seiner Vorräte, endlich frei, nach Herzenslust essen zu können, ohne rauben zu müssen, und den Herrn zu loben, ohne verbrannt zu werden.
    Dies war die Geschichte, die ich zwischen einem Bissen und dem nächsten von ihm erfuhr, und ich fragte mich, wieviel er davon erfunden und was er mir dabei verschwiegen hatte.
    Nachdenklich und voller Neugier sah ich ihn an, nicht so sehr wegen der Einzigartigkeit seiner Erfahrungen als vielmehr, weil mir sein wechselvolles Lebensschicksal auf exemplarische Weise all die vielen Ereignisse und Bewegungen widerzuspiegeln schien, die das Italien jener Jahre so faszinierend wie unverständlich machten.
    Was ergab sich aus dieser wilden Lebensgeschichte? Das Bild eines Menschen, der schreckliche Dinge gesehen und schreckliche Dinge getan hatte, der wohl auch fähig war, einen Mitmenschen umzubringen, ohne sich des Verbrecherischen seines Tuns innezuwerden. Doch obwohl mir damals noch jede Verletzung der Zehn Gebote gleichermaßen verwerflich erschien, begann ich doch schon ein wenig zu differenzieren und begriff, daß das Massaker, das eine erregte Menschenmenge anrichten kann, wenn sie von ekstatischer Verzückung gepackt wird und die Gesetze der Hölle mit denen des Himmels verwechselt, etwas anderes ist als das individuelle Verbrechen, das einer kaltblütig, heimtückisch und verschwiegen begeht. Und es schien mir unwahrscheinlich, daß Salvatore sich mit einem solchen Verbrechen befleckt haben könnte.
    Andererseits gingen mir jene vagen Andeutungen durch den Kopf, die der Abt am Vortag gemacht hatte, und ich mußte immerfort an jenen mysteriösen Fra Dolcino denken, über den ich zwar so gut wie nichts wußte, dessen Schatten aber auf vielen Gesprächen zu liegen schien, die ich in diesen Tagen vernommen.
    So fragte ich Salvatore unvermittelt: »Hast du auf deinen Reisen niemals Bekanntschaft mit Frau Dolcino gemacht?«
    Seine Reaktion war bemerkenswert. Er riß die Augen weit auf, so weit ihm das überhaupt möglich war, bekreuzigte sich mehrmals rasch hintereinander und murmelte ein paar hastige Worte in einer Sprache, die ich nun wirklich nicht mehr verstand. Es schienen mir allerdings verneinende Worte zu sein. Bisher hatte er mich mit Sympathie und Vertrauen betrachtet, ja sogar mit einer gewissen Freundschaftlichkeit. In diesem Moment sah er mich wütend und beinahe haßerfüllt an. Dann eilte er unter einem nichtigen Vorwand davon.
    Jetzt gab es für mich kein Halten mehr. Wer war dieser Fra Dolcino, dessen bloßer Name hier allen so großen Schrecken einjagte? Ich mußte es endlich wissen, allzusehr plagte mich meine Neugier. Eine Idee schoß mir durch den Kopf: Ubertin! Er hatte den Namen selber erwähnt, als wir ihn am ersten Tag trafen, er wußte alles über die klaren und weniger klaren Geschichten der Fratres und Fratizellen und anderen unruhigen Geister jener Jahre, er mußte es mir erzählen! Wo mochte ich ihn zu dieser Tageszeit finden? Gewiß in der Kirche, tief im Gebet versunken. Dorthin begab ich mich also, da ich gerade nichts anderes zu tun hatte.
    Ich fand ihn nicht, ich konnte ihn auch den ganzen Tag lang nicht finden. So blieb ich weiter das Opfer meiner unbefriedigten Neugier, während andere Dinge geschahen, von denen ich nun berichten muß.

NONA
    Worin William zu Adson über den großen Strom der Ketzerei spricht, die Funktion der Laien in der Kirche erläutert, seine Zweifel an der Erkennbarkeit der allgemeinen Gesetze äußert und schließlich ganz nebenbei erzählt, daß er die negromantischen Zeichen des toten Venantius entziffert hat.
    Ich fand William bei Meister Nicolas in der Werkstatt, beide waren eifrig in ihre Arbeit vertieft. Sie hatten zahlreiche Glasscherben auf dem Tisch ausgebreitet, winzige bunte Scheiben, wie man sie wohl für die Fugen und Ecken eines farbigen Fensters braucht, und hatten schon eine ganze Reihe davon mit entsprechenden Instrumenten auf die gewünschte Linsenform reduziert. William saß am Tisch und prüfte die Stücke, indem er sich eins nach dem anderen vor die Augen hielt, Nicolas gab unterdessen einigen Handwerkern Instruktionen über die Herstellung der metallenen Gabel, an der die richtigen Linsen später befestigt werden sollten.
    William schimpfte ärgerlich vor sich hin, weil die Linse, die ihm bisher am besten gefiel, smaragdfarben getönt war; er wolle, so knurrte er, die Pergamente nicht grünlich sehen, als

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