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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wahr?« fragte er fast begierig, »die Begierde des Fleisches?«
    »Nein«, antwortete ich errötend, »eher die Begierde des Geistes, der zuviel wissen will …«
    »Das ist nicht gut. Nur der Herr ist allwissend, wir können nichts anderes tun, als seine Weisheit anbeten.«
    »Aber wir müssen doch auch in der Lage sein, das Gute vom Bösen zu unterscheiden und die menschlichen Leidenschaften zu verstehen. Ich bin Novize, doch eines Tages werde ich Mönch und Seelsorger sein, und so muß ich lernen, wo sich das Böse verbirgt und in welcher Gestalt es auftritt, damit ich es erkennen und die anderen darin unterweisen kann.«
    »Das ist wahr, mein Sohn. Also, was willst du wissen?«
    »Die Wahrheit über das Giftkraut der Häresie, mein Vater«, sagte ich mit Überzeugung. Dann gab ich mir einen Ruck und sprudelte in einem einzigen Atemzuge hervor: »Ich hörte von einem schlimmen Menschen, der andere Menschen verführte: Fra Dolcino.« Ubertin sah mich schweigend an. Dann nickte er: »Richtig, du hast den Namen neulich gehört, als William und ich miteinander sprachen. Es ist in der Tat eine überaus schlimme Geschichte, denn sie lehrt … ja, und darum mußt du sie wohl erfahren, um eine nützliche Lehre aus ihr zu ziehen … sie lehrt, sagte ich, wie aus der Liebe zur Buße und aus dem Verlangen, die Welt vom Übel zu säubern, Bluttaten und Vernichtung hervorgehen können.« Er setzte sich etwas bequemer, lockerte seinen Griff um meine Schultern, ließ aber seine Hand auf meinem Nacken liegen, wie um mir seine Weisheit zu übertragen oder auch seine Wärme.
    »Die Geschichte beginnt vor jenem Fra Dolcino«, hob er an, vor mehr als sechzig Jahren, und ich war damals noch ein Kind. Es war in Parma, wo ein gewisser Gherardo oder Gerhardus Segarelli zu predigen anfing. Er rief die Menschen zur Buße auf, er lief durch die Straßen und schrie › penitenziagite! ‹ (womit er in seiner ungeschlachten Art sagen wollte: › Penitentiam agite, appropinquavit enim regnum coelorum .‹ 56 ) und lehrte seine Anhänger, sich wie die Jünger Jesu zu geben, weshalb er auch wollte, daß seine Sekte als ›Ordo Apostolorum‹ bezeichnet werde. Und seine Getreuen sollten als arme Bettelbrüder, die nur von Almosen leben, hinausgehen in die Welt …«
    »Wie die Fratizellen«, warf ich ein. »Und war das nicht auch der Auftrag Unseres Herrn Jesus und Eures Franziskus?«
    »Ja«, nickte Ubertin seufzend und mit einem leichten Zögern in seiner Stimme, »aber vielleicht ging Gherardo ein wenig zu weit. Jedenfalls wurde ihm und den Seinen bald vorgeworfen, die Autorität der Priester und die heilige Messe und die Beichte nicht anzuerkennen und ein Vagabundenleben zu führen.«
    »Aber das wurde doch auch den franziskanischen Spiritualen vorgeworfen. Und sagen die Minoriten nicht heute gleichfalls, man brauche die Autorität des Papstes nicht anzuerkennen?«
    »Ja, die Autorität des Papstes, aber die der Priester schon. Ach, es ist schwierig, mein Sohn, in diesen Dingen genau zu unterscheiden. Die Scheidelinie, die zwischen gut und böse verläuft, ist ungemein subtil … Irgendwie irrte Gherardo und befleckte sich mit Häresie … Er bat um Aufnahme in den Orden der Minderen Brüder, doch unsere Confratres akzeptierten ihn nicht. Er verbrachte die Tage in der Kirche unserer Brüder und sah, daß die Apostel auf den Bildern Sandalen anhatten und lange Gewänder, und so ließ er sich das Haar und den Bart wachsen, zog Sandalen an und band sich die Kordel der Minoriten um den Leib, denn wer heutzutage eine neue Kongregation gründen will, nimmt sich immer etwas vom Orden des heiligen Franz …«
    »Aber darin tat er doch recht …«
    »Ja, aber in anderem irrte er … Gekleidet in einen weißen Mantel über einem weißen Hemd, umwallt von seinem langen Haupthaar, erwarb er sich bei den einfachen Leuten bald den Ruf eines Heiligen. Er verkaufte ein kleines Häuschen, das er besaß, und setzte sich auf einen Stein von der Art, wie ihn einst die Machthaber zu besteigen pflegten, wenn sie Reden ans Volk halten wollten, gab aber das Geld nicht aus und schenkte es auch nicht den Armen, sondern rief die Gauner und Strolche herbei, die in der Gegend ihr Unwesen trieben, und warf es unter sie mit den Worten: ›Wer will, der nehme!‹ Und die Gauner nahmen das Geld und gingen hin und verspielten es beim Würfeln und lästerten den lebendigen Gott. Und Gherardo, der ihnen das Geld gegeben, hörte sie lästern und errötete nicht.«
    »Aber auch

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