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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sein kann. Dort finden wir einen weiteren blinden Raum, der an den siebeneckigen Innenraum angrenzt, und von dort aus könnten wir im Prinzip auf die gleiche Weise zum Westturm gelangen …«
    »Ja, wenn es überall Durchgänge gäbe …«
    »In der Tat, und deswegen brauchen wir deinen Plan, auf dem du die türlosen Wände markieren mußt, so daß wir immer wissen, welchen Umweg wir gerade machen. Aber das wird nicht schwer sein.«
    »Seid Ihr sicher, daß es funktionieren wird?« fragte ich besorgt, denn das Ganze erschien mir ein wenig zu einfach.
    »Es wird funktionieren«, erwiderte William. » Omnes enim causae effectuum naturalium dantur per lineas, angulos et figuras. Aliter enim impossibile est scire propter quid in illis 55 , sagte einer der großen Meister in Oxford.
    Aber leider wissen wir noch nicht alles. Wir haben bisher nur gelernt, uns im Labyrinth zu orientieren. Jetzt müssen wir noch herausbekommen, nach welchem Prinzip die Bücher in der Bibliothek angeordnet sind. Und die Kurzverse aus der Apokalypse helfen uns dabei wenig, zumal sich viele von ihnen auch noch in mehreren Räumen wiederholen …«
    »Dabei hätte man doch leicht mehr als sechsundfünfzig Kurzverse in jenem Buch des Apostels finden können!«
    »Ohne Zweifel. Also waren nur einige davon brauchbar. Seltsam. Als hätte man weniger als fünfzig gebraucht, dreißig vielleicht oder nur zwanzig … Oh, beim Barte Merlins!«
    »Wessen?«
    »Egal, ein Zauberer aus meiner Heimat … Hör zu, man hat so viele Verse gebraucht, wie es Buchstaben im Alphabet gibt! Natürlich, das ist die Lösung! Der Text selbst spielt gar keine Rolle, es geht nur um die Anfangsbuchstaben. Jeder Raum ist mit einem Buchstaben des Alphabets markiert, und alle zusammen ergeben zweifellos einen Sinn, den wir herausfinden müssen!«
    »Wie ein Figurengedicht in Form eines Kreuzes oder Fisches!«
    »Ja, mehr oder weniger, und vermutlich waren solche Figurengedichte sehr beliebt, als die Bibliothek gegründet wurde.«
    »Aber wo fängt der Text an?«
    »Bei einer Inschrift, die etwas größer ist als die anderen, bei einer Inschrift im siebeneckigen Raum mit der Treppe … oder vielleicht … ja natürlich: bei den roten Inschriften!«
    »Aber davon gibt es viele.«
    »Also gibt es mehrere Texte oder einen Text mit vielen Wörtern. Paß auf, Adson: Setz dich hin und zeichne den Plan noch einmal genauer und etwas größer, und wenn wir das nächste Mal in der Bibliothek sind, markierst du mit deinem Stift (aber bitte nur leicht) nicht nur die Räume, durch die wir gegangen sind, und die Position der Türen und die türlosen Wände (und die Fenster), sondern auch die Anfangsbuchstaben der Inschriften über den Türen, und mach die roten Buchstaben etwas größer, wie es ein guter Miniaturenmaler tut.«
    »Das werde ich tun«, versprach ich und sah meinen Meister voller Bewunderung an. »Aber sagt mir, wie kommt es, daß Ihr das Rätsel der Bibliothek durch Betrachtung von außen habt lösen können, während es Euch verschlossen blieb, als Ihr drinnen wart?«
    »Das ist wie mit dem Gesetz der Welt. Gott kennt es, weil er die Welt, bevor er sie schuf, in seinem Geist konzipierte, also gleichsam von außen ersann. Wir Menschen dagegen erkennen es nicht, weil wir in der Welt leben und sie bereits fertig vorfinden.«
    »Also kann man die Dinge durch Betrachtung von außen erkennen?«
    »Die Dinge der Kunst jedenfalls, denn wir können die Operationen des Künstlers in unserem Geist nachvollziehen. Nicht aber die Dinge der Natur, denn die Natur ist kein Werk unseres Geistes.«
    »Aber für die Bibliothek genügt unser Geist, nicht wahr?«
    »Ja, aber nur für die Bibliothek! Doch laß uns jetzt schlafen gehen. Ich kann heute sowieso nichts mehr tun und muß warten, bis ich meine Linsen habe, was hoffentlich morgen der Fall sein wird. Also gehen wir lieber früh zu Bett und stehen früh auf. Ich will versuchen, noch ein wenig nachzudenken.«
    »Und das Abendessen?«
    »Ach ja, das Abendessen, das haben wir ganz vergessen! Und jetzt ist es sicher zu spät, die Mönche sind schon zum Nachtgottesdienst in der Kirche. Aber vielleicht ist die Küche noch offen. Sieh doch mal, ob du uns nicht noch etwas besorgen kannst.«
    »Stehlen?«
    »Nein, nur erbitten. Zum Beispiel von Salvatore, er ist doch jetzt dein Freund.«
    »Aber dann stiehlt er es!«
    »Willst du deines Bruders Hüter sein?« fragte William mit den Worten Kains. Doch das war nur ein Scherz, und er meinte wohl, daß

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