Der Name der Rose
gestanden, was ich getan habe. Zwingt mich jetzt nicht zu gestehen, was ich nicht getan habe …«
»Aber was bleibt denn noch übrig, das du nicht getan haben könntest? Jetzt willst du auf einmal unschuldig sein? Oh sanftes Lamm, Muster an Friedfertigkeit! Ihr habt es gehört, einst troffen seine Hände von Blut, und jetzt ist er unschuldig! Vielleicht haben wir uns getäuscht und Remigius von Varagine ist ein Ausbund an Tugend, ein treuer Sohn der Kirche, ein Feind aller Feinde Christi? Stets hat er die Ordnung geachtet, die der wachsame Arm der Kirche den Dörfern und Städten aufzuerlegen sich müht, nie hätte der Brave gewagt, den Frieden der Händler anzutasten oder die Läden der Handwerker oder die Schätze der Kirchen! Er ist unschuldig, er hat nie etwas Böses getan, in meine Arme, Bruder Remigius, daß ich dich trösten kann, daß ich dich schützen kann vor den Anklagen, die üble Verleumder gegen dich zu erheben sich erdreisteten!« Sprach's und hatte sich halb erhoben, als wollte er gleich die Arme ausbreiten, und während Remigius ihn noch ungläubig anstarrte (hoffte er wirklich auf einen überraschenden Freispruch?), setzte der Inquisitor sich wieder zurecht und wandte sich im Befehlston an den Hauptmann der Bogenschützen:
»Ich greife ungern zu Mitteln, die unsere Kirche stets kritisiert hat, wenn sie vom weltlichen Arm angewandt wurden. Aber es gibt ein Gesetz, dem sich auch meine persönlichen Gefühle zu beugen haben. Laßt Euch vorn Abt einen Raum anweisen, wo man die Folterwerkzeuge herrichten kann. Aber man soll nicht sofort beginnen. Man lasse ihn erst drei Tage in einer Zelle liegen, Hände und Füße in Ketten. Dann zeige man ihm die Geräte. Nur zeigen. Am vierten Tage beginne man. Die Gerechtigkeit hat keine Eile, wie die Pseudo-Apostel meinten, und Gottes Gerechtigkeit kann sich Jahrhunderte Zeit lassen. Also geht langsam vor, und stufenweise. Und beachtet vor allem, was euch immer wieder gesagt worden ist: Vermeidet Verstümmelungen und unmittelbare Todesgefahr! Eine der Segnungen, die dem Frevler durch diese Prozedur zuteil werden, ist gerade ein beglückender und erwarteter Tod, der als Erlöser kommt, aber erst nach einem vollen, freiwilligen und reinigenden Geständnis.«
Die Bogenschützen beugten sich nieder, um den Cellerar aufzuheben, doch dieser sträubte sich heftig, stemmte die Füße auf den Boden und gab zu verstehen, daß er reden wolle. Man gewährte es ihm, und er begann stammelnd, die Worte kamen ihm anfangs nur mühsam über die Lippen, sein Reden klang wie das Lallen eines Betrunkenen und hatte etwas Obszönes, und erst allmählich, während er sprach, fand er zu jener wilden Kraft zurück, die sein Geständnis erfüllt hatte.
»Nein, Herr Inquisitor. Nicht die Folter! Ich bin ein Feigling. Ich habe damals verraten, ich habe meinen Glauben von einst elf Jahre lang verleugnet in diesem Kloster. Ich habe ihn tätig verleugnet, indem ich armen Winzern und Bauern den Zehnten abpreßte, indem ich die Aufsicht führte über Scheuern und Ställe, damit sie blühten zur Bereicherung des Abtes. Ich habe mein Bestes gegeben bei der Verwaltung dieser Fabrik des Antichrist. Und ich ließ es mir gut ergehen, ich hatte die Zeit der Revolte vergessen, ich genoß die Freuden des Gaumens und andere mehr. Ich bin ein feiger Verräter. Vorhin verriet ich acht ehemalige Mitbrüder in Bologna, damals verriet ich Dolcino. Und als feiger Verräter, verkleidet im Gewände der Bischöflichen, habe ich die Gefangennahme Dolcinos und seiner Margaretha mitangesehen, damals, an jenem Karsamstag, als man sie ins Castell von Bugello verbrachte. Drei Monate lang trieb ich mich in der Gegend von Vercelli herum, bis der Brief von Papst Clemens eintraf, der Dolcinos Urteil enthielt. Und ich habe mitangesehen, wie Margaretha in Stücke gerissen wurde, und ich hörte sie schreien, zerfleischt, wie sie war, armer Leib, den auch ich eines Nachts berührt … Und als ihr geschundener Kadaver brannte, kamen sie über Dolcino und rissen ihm mit glühenden Zangen die Nase ab und die Hoden, und es stimmt nicht, was später von ihm behauptet wurde, daß er keinen Laut von sich gegeben hätte. Dolcino war ein großer und starker Mann, er hatte einen gewaltigen Teufelsbart, und die roten Locken fielen ihm auf die Schultern in dichten Ringeln, schön und mächtig war er anzusehen mit seinem breitkrempigen Hut, den ein Federbusch schmückte, mit seinem Schwert am Gürtel um den Talar. Dolcino ließ die
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