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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht grün war vom wuchernden Moos, war immer noch schwarz von dem Brand vor Jahrzehnten.
    Beim Herumstöbern in den Trümmern fand ich hier und da ein paar Fetzen von Pergament, die aus Skriptorium und Bibliothek heruntergefallen waren und im Schutt überlebt hatten wie vergrabene Schätze. Ich begann sie zu sammeln, als müßte ich die Seiten eines auseinandergefallenen Buches wieder zusammenlegen. Dann entdeckte ich, daß in einem der Türme eine brüchige, aber noch zusammenhängende Wendeltreppe nach oben führte, und so gelangte ich, vorsichtig über Schutthaufen kletternd, ins Skriptorium und von dort sogar weiter hinauf bis zur Höhe der Bibliothek – doch diese war nur noch eine Art von schmaler, an den Außenmauern hängender Galerie rings um einen gähnenden Abgrund.
    An einer Wand fand ich einen Schrank, der wunderbarerweise noch stand und das Feuer irgendwie überlebt hatte, faulig vom Regenwasser und zerfressen von Würmern. In seinem Innern lagen noch einige Blätter. Andere Pergamentreste fand ich beim Durchsuchen der Trümmer unten. Es war eine karge Ernte, die ich so zusammenbekam, doch ich verbrachte einen ganzen Tag damit, sie einzusammeln, als erhoffte ich mir von diesen disiecta membra der Bibliothek irgendeine Botschaft. Manche Fragmente waren gänzlich verblichen, andere ließen noch Umrisse einer Zeichnung erkennen, zuweilen die Ahnung eines oder gar mehrerer Worte. Hin und wieder fand ich auch Blätter, auf denen ganze Sätze zu lesen waren, ja sogar einige fast komplette Buchrücken, die den Brand überstanden hatten dank dessen, was einst ihre Metallbeschläge gewesen … Larven von Büchern, äußerlich scheinbar unversehrt, doch innen wüst und leer. Dennoch hatte sich hier und da ein Blatt gerettet, schien ein Incipit auf, eine Kapitelüberschrift …
    Ich sammelte alle Reliquien ein, die ich finden konnte, und füllte damit zwei Reisetaschen. Ich ließ nützliche Dinge zurück, um meinen dürftigen Schatz mitnehmen zu können.
    Auf der Rückreise und später in Melk verbrachte ich viele Stunden mit dem Versuch, jene spärlichen Überbleibsel zu entziffern. Nicht selten erkannte ich an einem verblichenen Wort oder Bild, um welches Werk es sich handelte. Und wenn ich dann später im Laufe der Jahre andere Kopien der so erschlossenen Werke fand, studierte ich sie mit besonderer Liebe, als hätte das Schicksal mir jene Erbschaft vermacht, als wäre die Tatsache, daß ich eine zerstörte Handschrift erkannt hatte, gleichsam ein klarer Fingerzeig vom Himmel, der zu mir sagte: Tolle et lege! 112 Am Ende meiner geduldigen Rekonstruktionsbemühungen zeichnete sich vor meinen Augen so etwas wie eine kleine Bibliothek als Zeichen jener verschwundenen großen ab, eine Bibliothek aus Schnipseln, Fragmenten, Zitaten, unvollendeten Sätzen, Ruinen und Torsi von Büchern.
    Je öfter ich in meiner Sammlung lese, desto klarer wird mir, daß sie ein Produkt des Zufalls ist und keine Botschaft enthält. Gleichwohl haben mich diese unvollständigen Seiten mein ganzes ferneres Leben begleitet bis heute, und mich dünkt beinahe, als wäre, was ich hier geschrieben habe und was du nun liesest, mein unbekannter Leser, nichts anderes als ein Flickwerk, ein großes Figurengedicht, ein immenses Akrostichon, das lediglich wiederholt, was jene Fragmente mir eingegeben, und ich weiß nicht einmal mehr, ob ich es war, der hier gesprochen hat, oder ob nicht vielmehr sie durch meinen Mund gesprochen haben. Doch welcher der beiden Glücks- oder Zufälle sich auch ereignet haben mag, je öfter ich mir die Geschichte vergegenwärtige, die dabei herausgekommen ist, desto weniger vermag ich zu erkennen, ob sie etwas enthält, das über die natürliche Abfolge der Ereignisse und die sie verbindenden Zeiten hinausweist. Und es ist hart für einen greisen Mönch an der Schwelle des Todes, nicht zu wissen, ob die Lettern, die er geschrieben hat, einen Sinn enthalten, oder auch mehr als einen, viele gar, oder keinen.
    Doch vielleicht ist diese meine Blindheit auch nur die Folge des Schattens, den die näherkommende Große Finsternis auf unsere vergreiste Welt wirft.
    Est ubi gloria nunc Babylonia? 113 Wo ist der Schnee vom vorigen Jahr? Die Welt tanzt den schaurigen Tanz des Macabre, mich dünkt zuweilen, die Donau sei voller Narrenschiffe auf der Fahrt in ein dunkles Land.
    Mir bleibt nur zu schweigen. O quam salubre, quam iucundum et suave est sedere in solitudine et tacere et loqui cum Deo! 114 Bald schon werde ich

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