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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Herrn, der unser Hochplateau so angelegt hat, daß es von Süden die warmen Winde des Meeres empfängt und von Norden die frische Waldluft aus den höheren Bergen. Zum anderen Teil verdanke ich sie den Errungenschaften der Kunst, die ich nach dem Willen meiner Lehrer erlernen durfte. Manche Pflanzen gedeihen auch in feindlichem Klima, wenn man den Boden und die Nahrung und das Wachstum entsprechend pflegt.«
    »Aber Ihr habt doch auch Pflanzen, die nur zum Essen gut sind«, wollte ich wissen.
    »Mein hungriger junger Freund, es gibt keine Pflanzen, die nur zum Essen gut sind und nicht auch zur Behandlung von Übeln, wenn man sie in der richtigen Dosierung nimmt. Nur das Übermaß macht sie zu Krankheitsursachen. Nimm zum Beispiel den Kürbis: Er ist von Natur aus kühl und feucht und lindert den Durst, doch wenn du zuviel davon ißt, bekommst du Durchfall, und dann mußt du ein Gebräu aus Senf und Salzlake trinken, damit deine Eingeweide sich zusammenziehen. Oder die Zwiebel: Warm und feucht, in kleinen Mengen genossen, steigert sie die Potenz (natürlich nur für jene, die nicht unser Gelübde abgelegt haben), doch in zu großen Mengen macht sie dir Kopfschmerzen und muß dann mit Milch und Essig bekämpft werden. Ein guter Grund für einen jungen Mönch«, fügte er maliziös hinzu, »stets nur maßvoll davon zu essen. Nimm lieber Knoblauch. Warm und trocken ist er gut gegen Gifte im Leib. Doch auch hier sollte man nicht übertreiben, er zieht zu viele Säfte aus dem Gehirn. Bohnen dagegen fordern die Urinbildung und machen fett, was beides sehr gut ist, aber sie rufen schlechte Träume hervor. Freilich sehr viel weniger als gewisse andere Gewächse, denn es gibt auch Kräuter, die schlimme Visionen erzeugen.«
    »Welche sind das?« fragte ich neugierig.
    »He, he, unser Novize möchte zuviel wissen. Diese Dinge darf niemand anderer wissen als der Botanikus, sonst könnte irgendein Bruder Leichtfuß herumlaufen und den Leuten Visionen verabreichen oder Lügen eintrichtern mit Hilfe der Kräuter.«
    »Aber es genügt ein wenig Brennesselwurz«, schaltete William sich ein, »oder Roybra oder Olieribus, um sich gegen die Visionen zu schützen.«
    Severin sah meinen Meister überrascht von der Seite an. »Interessierst du dich für die Kräuterkunde?«
    »Ein ganz klein wenig«, antwortete William bescheiden. »Ich blätterte einmal vor Jahren im Theatrum Sanitatis von Ububchasym de Baldach …«
    »Abul Asan al Muchtar ibn Botlan.«
    »Oder Ellukasim Elimittar, wie du willst. Ob es hier wohl eine Kopie davon gibt?«
    »Mehrere, sehr schöne mit kunstvoll gemalten Bildern.«
    »Gelobt sei der Herr. Und wie steht es mit De virtutibus herbarum von Platearius?«
    »Auch das ist da, und dazu De plantis von Aristoteles in der Übersetzung des Alfred von Sareshel.«
    »Ich habe gehört, daß es in Wahrheit nicht von Aristoteles sei«, bemerkte William, »ebensowenig wie, einer neuen Entdeckung zufolge, De causis .«
    »In jedem Falle ist es ein großes Buch«, sagte Severin, und William stimmte ihm lebhaft zu, ohne nachzufragen, ob er De plantis oder De causis meinte – zwei Werke, die ich nicht kannte, die aber, nach diesem Gespräch zu urteilen, offenbar beide sehr bedeutend waren.
    »Ich würde mich freuen«, schloß Severin, »gelegentlich mit dir ein offenes Gespräch über die Kräuter zu führen.«
    »Ich würde mich noch mehr freuen als du«, erwiderte William, »aber wir wollen doch nicht das Schweigegebot verletzen, das uns hier die Regel eures Ordens gebietet.«
    »Die Regel des heiligen Benedikt«, sagte Severin, »hat sich im Lauf der Jahrhunderte den Bedürfnissen der verschiedenen Gemeinschaften angepaßt. Die Regel sah die lectio divina vor, nicht aber die Forschung; du weißt indessen, wie weit unser Orden das Studium der göttlichen und der menschlichen Dinge vorangebracht hat. Die Regel verlangte auch das gemeinsame Dormitorium; zuweilen ist es indessen empfehlenswert, wie hier bei uns, daß die Mönche sich auch zur Nachtzeit der Meditation widmen können, und so hat hier jeder von uns seine eigene Zelle. Die Regel ist sehr streng, was das Schweigegebot betrifft, und auch bei uns dürfen nicht nur diejenigen Brüder, die Handarbeiten verrichten, sondern auch die anderen, die ihre Tage schreibend und lesend verbringen, keine Gespräche mit ihren Confratres fuhren; doch die Abtei ist in erster Linie eine Gemeinschaft von Forschenden, und so ist es oft erforderlich, daß die Mönche ihr angesammeltes

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