Der Name der Rose
Wissen untereinander austauschen. Jedes Gespräch, das unsere Studien betrifft, gilt daher als legitim und nützlich – solange es nicht gerade im Refektorium oder während der Stunden des Gottesdienstes geführt wird.«
»Hattest du oft Gelegenheit, mit Adelmus von Otranto zu sprechen?« fragte William unvermittelt.
Severin schien nicht überrascht. »Wie ich sehe, hat der Abt dich bereits ins Bild gesetzt«, erwiderte er. »Nein, mit dem habe ich nicht oft gesprochen. Er verbrachte seine Zeit mit Miniaturenmalerei. Ich habe ihn nur zuweilen mit anderen Mönchen sprechen gehört, mit Venantius von Salvemec oder mit Jorge von Burgos zum Beispiel. Außerdem verbringe ich meine Tage nicht im Skriptorium, sondern drüben«, er wies mit dem Kinn in Richtung auf das Hospital, »im Laboratorium.«
»Verstehe«, sagte William. »Also weißt du auch nicht, ob Adelmus Visionen hatte.«
»Visionen?«
»Nun ja, zum Beispiel wie jene, die deine Kräuter hervorrufen.«
Severins Züge verhärteten sich: »Ich sagte doch, ich hüte die gefährlichen Kräuter sehr sorgfältig.«
»Das habe ich nicht gemeint«, beeilte sich William zu versichern. »Ich sprach von Visionen im allgemeinen.«
»Ich verstehe nicht«, beharrte der Bruder Botanikus.
»Nun, ich dachte, daß ein Mönch, der sich zur Nachtzeit im Aedificium herumtreibt, wo dem Eindringling zu verbotener Stunde, wie der Abt mir andeutete, gewisse … entsetzliche Dinge widerfahren können … nun ja, ich dachte, ich meinte, er könnte teuflische Visionen gehabt haben, die ihn dazu trieben, sich in den Abgrund zu stürzen.«
»Ich sagte doch, ich begebe mich selten in das Skriptorium, nur wenn ich ein bestimmtes Buch brauche, für den Normalfall habe ich meine Herbarien im Hospital. Aber wie gesagt, Adelmus war sehr vertraut mit Jorge, mit Venantius und … natürlich mit Berengar.«
Ich bemerkte eine leichte Erregung in Severins Stimme, die auch meinem Meister nicht entging:
»Berengar? Und wieso natürlich?«
»Berengar von Arundel, der Adlatus des Bibliothekars. Sie waren Altersgenossen, sie waren zusammen Novizen gewesen, es war also nur normal, daß sie manches miteinander zu besprechen hatten. Das wollte ich sagen.«
»Ach so, das wolltest du sagen«, nickte William. Ich wunderte mich, daß er auf diesem Punkt nicht länger insistierte, denn abrupt wechselte er das Thema und sagte: »Aber vielleicht ist es nun an der Zeit, daß wir uns ins Aedificium begeben. Willst du uns führen?«
»Gern, mit Vergnügen«, antwortete Severin, und seine Erleichterung stand ihm nur allzu deutlich im Gesicht geschrieben. So brachen wir auf, und er führte uns am Garten vorbei zur Westfassade des Aedificiums.
»Hier an der Gartenseite haben wir den Eingang, der in die Küche führt«, erklärte er. »Aber die Küche nimmt nur die westliche Hälfte des Erdgeschosses ein, in der anderen Hälfte befindet sich das Refektorium. An der Südseite gibt es noch einen zweiten Eingang, den man erreicht, wenn man hinter der Kirche um den Chor herumgeht, und von dort gelangt man durch zwei weitere Pforten in die Küche und ins Refektorium. Aber gehen wir ruhig hier hinein, wir können durch die Küche ins Refektorium gehen.«
Als wir die geräumige Küche betraten, bemerkte ich, daß sich im Innern des Aedificiums ein achteckiger Hof befand; wie ich später feststellte, handelte es sich um eine Art tiefen Schacht, auf den sich zwar keinerlei Türen, aber in jedem Stockwerk hohe Fenster öffneten, ähnlich denen, die wir an den Außenmauern gesehen hatten. Die Küche war eine lange und weite Halle voller Dunst, in der zu dieser Stunde bereits viele Köche emsig am Werk waren, um das Abendmahl vorzubereiten. An einem großen Tisch machten zwei von ihnen einen Gemüseauflauf: In eine Masse aus Grünzeug, Gerste, Hafer und Roggen schnitzelten sie gelbe Rüben, Radieschen, Karotten und Kresse. Neben ihnen hatte ein anderer Koch gerade Fische in einer Brühe aus Wein und Wasser gekocht und bestrich sie nun mit einer Soße aus Petersilie, Salbei, Thymian, Knoblauch, Pfeffer und Salz.
Unter dem Westturm am oberen Ende der Küche öffnete sich ein gewaltiger Backofen, worin rötliche Flammen züngelten. Am anderen Ende, unter dem Südturm, befand sich ein ebenso großer Kamin, über dessen Feuer sich Bratspieße drehten und Suppen in großen Töpfen brodelten. Durch die Tür, die zur Tenne hinter der Küche hinausführte, trugen Männer gerade das Fleisch der am Morgen geschlachteten Schweine
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