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Der Name der Welt

Der Name der Welt

Titel: Der Name der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Johnson
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der nirgends zu entdeckenden Preisrichter bekannt gab und die Siegerin nach vorn zitierte, eine Frau mit einer schwarzen Perücke im Kleopatra-Stil, die ein rotes Bikiniunterteil und eine rote Weste mit flatternden roten Fransen trug. Sie betrat barfuß und auf Zehenspitzen die Bühne und bekam das Preisgeld in einem großen Umschlag überreicht, den ihr die Zeremonienmeisterin hinter den Bund des Bikinihöschens stecken musste, weil sie in der einen Hand eine große Flasche Bier hielt und in der anderen eine Zigarette. Ihr Gesicht war zu einer Maske aufgeschminkt, wie der einer Kabuki-Darstellerin. Ihr Name wurde mit «O. O’Malley» angegeben oder so ähnlich. Aber in Wahrheit war es Flower Cannon.
    «Die kenne ich!», sagte ich zu Vince.
    «Wen? Die da?», sagte er und wandte sich kurz um. «Ja, die ist jeden zweiten Freitag hier. Sie gewinnt die Hälfte aller Wettbewerbe.»
    Die Musik setzte wieder ein, aber nicht mehr so laut. Die Bühne wurde dunkel. Flower Cannon stand vornübergebeugt in einer Ecke und zog sich ein Paar Tennisschuhe an. Sie richtete sich auf, hob die Flasche Bier an den Mund und trank mit großen Schlucken. Sie trug jetzt einen alten Überzieher, der aussah wie ein Laborantenkittel.
    «Die Show ist gelaufen, Zeit zum Kartenspielen», sagte Vince. Ihm schien jedoch weitaus mehr daran gelegen, seinen Monolog fortzusetzen, als sich seinem bevorzugten Zeitvertreib zu widmen. Beim Reden hielt er seine Augenbrauen ständig auf Trab; sie hoben und senkten sich gymnastisch. Von irgendwo in seinem Innern schien er heftige Signale auszusenden, während er in beiläufigem Ton Vertraulichkeiten ausplauderte.
    Plötzlich sagte ich: «Sie rasiert sich die Muschi.»
    Die Zigarette verharrte dicht vor seinen Lippen. Er sah mich an, blinzelte mir durch den Rauch zu. «Tja, viele von denen tun das.»
    «Sie rasiert sich die Fotze aus», sagte ich.
    Beim Auswürgen dieser derben Vulgarität schoss mir das Blut in den Kopf. Bitte bedenken Sie, ich war nicht betrunken, hatte keinen einzigen Schluck von etwas Stärkerem als Club-Soda intus. Es ging mir prächtig dabei, anders lässt es sich nicht ausdrücken.
    Ich sagte: «Ich kenne sie. Demnächst werde ich sie wahrscheinlich ficken.»
    Vince blieb noch ein paar Sekunden ganz still. «Das bezweifle ich», sagte er dann.
    Während er noch einen und noch einen trank, wurde er lauter. Ich bekam trotzdem nicht mit, was er sagte. Ich hörte zwar zu, schielte aber hauptsächlich auf seine Augenbrauen. Immer mal wieder antwortete ich. Es war die Art von Bargespräch, bei dem zwei Leute so lange aneinander vorbeireden, bis, zumindest manchmal, einer zuschlägt.
    Wenn ich gedemütigt worden bin, gehe ich für gewöhnlich los und kaufe mir ein Buch. Als ich einmal wie ein durchgeknallter Roulettesüchtiger eine kleine private Rentenrücklage an der Börse verzockt hatte, kaufte ich mir ein Buch über Aktien. Als ich während meiner Zeit in der Washingtoner Vorstadt in Virginia Golf gespielt hatte und ausgelacht worden war, fand ich ein Buch von Gary Player; mit einiger Übung wurde ich im Golfen ziemlich gut, jedenfalls gut genug für solche Ausflüge mit Lobbyisten. Nach diesem Vorfall in der Barbin ich in einem kleinen, exotischen Laden auf ein Buch gestoßen: 101 Verteidigungen gegen Angriffe. Ich merke schon, ich schweife ab. Mein Freund verpasste mir eine. Seine Faust schwang herum wie ein geknotetes Peitschenende und traf mich an Stirn und Nasenrücken. Polares Weiß explodierte in mir. Und obwohl ich nicht weg war, nicht schlief, wurden meine Gedanken alle zu Fragen, und ich kippte seitlich um. Saß dann da und versuchte mich aufzurichten. Bestimmt dachten alle, ich wäre betrunken.
    Der Fußboden unter meinen Händen fühlte sich rau an von etwas, das ich für Sägemehl hielt. Ich brauchte noch eine Weile, bis mir wieder einfiel, was ich da unten machte – ich versuchte aufzustehen. Ich blickte hoch und sah Flower Cannon neben der Bühne. Die schwarze Perücke hatte sie abgenommen. Sie hielt ihr Bier schräg an den Mund und sah mich von der Seite an. Aber vermutlich aus einem gewissermaßen libertinären Kneipentaktgefühl heraus bauschte weder sie noch sonst jemand den Vorfall auf. Ein paar Burschen von einem Nachbartisch halfen mir auf den Stuhl zurück, während ich sagte: «Geht schon, geht schon.»
    Vince hatte das Weite gesucht – das war auch besser so. Einer mit seinem Strafregister konnte nicht noch mehr Scherereien gebrauchen.
    Sobald ich mich aufrecht

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